Warhammer 40,000: Space Marine
Monday, 22. April 2024
In Warhammer 40.000: Space Marine spielt man, wenig überraschend, einen Space Marine. Das Spiel ist von 2011, ist ein Shooter mit der Kamera in der Rückenperspektive und erinnert mit seiner Ästhetik an Gears of War, spielt sich aber viel flotter als ein Deckungsshooter.
Eine Orkinvasion
Denn der kontrollierte Ultramarine Captain Titus kann auch gar nicht groß in Deckung gehen, landet er doch zu Spielbeginn als Vorhut im Zentrum eines Abwehrkampfs gegen eine Orkinvasion. In Warhammer 40K bekriegen sich die Rassen ja in einem immerwährenden Krieg, dass Orks da eine Welt des Imperiums überfallen ist erstmal nichts besonderes. Diese Fabrikwelt soll aber wegen ihrer Titanenproduktion unbedingt gehalten werden, weshalb die Ultramarines entsandt wurden. Im Intro bricht Titus mit zwei Gefährten daher durch die Front mit dem Ziel, eine Titanenproduktionsstätte zu erreichen und zu sichern.
Ohne weiter spoilern zu wollen, es wird nicht bei den Orks als Gegnern bleiben. Aber erstmal kommen die Gegnermassen aus deren Reihen. Kleine Orks, größere, explodierende kleine Monster und Fernkämpfer, später auch mit Raketenwerfern, und gelegentliche übergroße Gegner sind in großer Masse zu besiegen.
Nah- und Fernkampf
Wie die Gegner fallen, dafür gibt es in den Schlauchleveln doch etwas Abwechslung. Titus kann im Nahkampf zuschlagen, eine Dreierkombinationen aus Schlägen absetzen und optional die Kombo per Tastendruck (F) mit einem Betäubungsschlag enden. Betäubte Gegner daraufhin mit (E) zu erledigen ist die Haupt-Heilquelle, abgesehen von gelegentlichen Levelwechseln, wobei ein regenerierendes Schild erstmal den Lebensbalken schützt. Aber die Gegner schlagen heftig zu, Blocken geht nicht, eine Ausweichrolle hilft da.
Oder alternativ helfen die Fernkampfwaffen. Ein Bolter (in diesem Spiel ein simples Maschinengewehr), zwei Variationen von Scharfschützengewehren, zwei – oder je nach Zählweise drei – Variationen von Granatwerfern, eine Plasma-Schrotflinte und eine Pistole sind das durchaus ausreichende Sortiment. Nur vier davon können getragen werden, immer wieder finden sich Upgrades oder Alternativen in den Leveln.
Egal ob Fernkampf oder Nahkampf, erledigte Feinde laden einen Energiebalken auf, der wenn voll für einen Berserkermodus genutzt werden kann. Der erhöht Schaden im Nahkampf, heilt Titus und später ermöglicht er das Zielen in Zeitlupe. Bei den größeren Orks z.B. ist dieser Boost eigentlich Voraussetzung, um die im Nahkampf besiegen zu können.
Stärken bei der Story, Schwächen bei der Story
Im Fokus steht also klar das Gemetzel durch die Feindeshorden und damit die große Stärke der Story: Sie ist komplett irrelevant. Es geht nur um einen Vorwand, immer wieder neue Feindesgruppen besiegen zu müssen. Denn die Kämpfe machen Spaß, egal worum es geht.
Aber das zeichnet die Story vielleicht negativer, als sie ist. Ihre Schwäche ist die absolute Vorhersagbarkeit einer vermeintlichen Überraschung zur Mitte des Spiels. Ansonsten passt sie gut ins Warhammer-Universum und gibt mit ein paar NPCs Motivation fürs eigene Handeln. Dabei zeichnet sie angemessen grau und brutal diese Kriegswelt, aber auch die Überlegenheit der Space Marines.
Wobei diese Überlegenheit manchmal kaum zu spüren ist. Gerade gegen spätere Gegner kann die falsche Bewaffnung schnell zu kaum zu bewältigenden Situationen führen. Tückisch ist da besonders der Hammer, der zwar die Nahkampfangriffe deutlich effektiver macht, aber die beiden Waffenslots mit den stärkeren Waffen blockiert. Er erzwingt so das Stürmen in die Gegnerhorden, was manchmal aber nur zum schnellen eigenen Ableben führt, ein langsameres Ausschalten der Gegner mit dem Scharfschützengewehr ist dann viel einfacher. Aber ist das Gewehr eben blockiert oder gar nicht im Inventar, steht man dann teils doof da.
Neben diesen Balancingproblemen ist auch die Grafik kein Pluspunkt des Spiels. Nicht nur ist sie alt, sondern war sie auch bei Release nicht hübsch: Alle Landschaften sind grau oder braun und es gibt wenig visuelle Abwechslung. Immerhin ist entsprechend die Performance auch unter Linux immer einwandfrei gewesen und gab es weder Abstürze noch sonstige Bugs.
Die Kampagne von Warhammer 40.000: Space Marine unterhielt mich für etwa sieben Stunden ziemlich gut. Die Kämpfe sind flott und auch wenn ihre Spielmechanik simpel ist, bleiben sie durch die Massen an teils auch noch starken Gegnern fordernd. Darauf zu reagieren, entsprechend in Nah- oder Fernkampf zu gehen und dabei die richtigen Waffen zu wählen bleibt interessant. Einzelne Stellen sind frustrierend schwerer als andere, aber es kippt nie ins unschaffbare, dadurch wird jeweils der doch erreichte Sieg nur umso erfreulicher.
Wer an Shootern generell keinen Spaß hat würde dieses Spiel aber wirklich hassen. Für wen ein simpel, jedoch kompetent gestrickter Shooter ohne lähmende Deckungsmechanik dagegen interessant klingt, der ist hier gut bedient. Später im Jahr soll ein Nachfolger rauskommen, ob der ähnlich unkompliziert spaßig werden kann?
Ghostrunner
Monday, 8. April 2024
Ghostrunner ist kein einfaches Spiel, es ist kein erholsames Spiel. Es ist fordernd, schweißtreibend und mit unzähligen Bildschirmtoden gespickt. Aber wer eine Herausforderung sucht sollte sich diesen Titel näher ansehen.
Das Spiel als Ghostrunner
In der Introszene wird der Ghostrunner von einem Cyborgwesen mit Roboter-Oktopusarmen getötet, kurz darauf wacht er wieder auf. Der Ghostrunner, das ist ein mit einem Schwert und Spezialfähigkeiten bewaffneter Kämpfer, der an Wänden entlanglaufen, Abhänge herunterschlittern, gut springen und (in der Luft sogar kombiniert mit einem Zeitlupenmodus) ausweichen kann. Man steuert ihn in der Egoperspektive und versucht die Gegner auszuschalten, bevor sie einen selbst erwischen – und das ist leichter gesagt als getan. Denn schon die Anfangsfeinde zielen schnell und gut, mit einem Treffer ist der Ghostrunner tot. Aber genauso tötet auch er die Gegner mit einem Treffer.
Um Erfolg zu haben muss man geschickt durch die Level laufen. Meist geht es darum schnell zu sein, präzise zu springen, Schüssen mit Shift auszuweichen oder mit dem Schwert zu parieren und die Gegner zu erreichen. Die Kämpfe werden so mehr zu einer Art Puzzle. Andere Abschnitte sind reine Sprungpassagen, die kombinieren dann gerne Wandläufe mit Sprüngen. Bossgegner gibt es auch, sie sind alle tatsächlich besondere Herausforderungen.
Machbar ist das alles nur, weil ein Tod nicht schlimm ist. Stattdessen geht es zurück zum letzten Checkpunkt, der fast immer nur ein paar Sekunden vorher aktiviert wurde. So probiert man Abschnitte einfach immer wieder, bis entweder eine alternative Route oder das perfekte Timing die Stelle löst.
Manchmal ist die Lösung auch eine der Spezialfähigkeiten des Ghostrunners, die nach und nach im Spielverlauf dazukommen. So ist die erste ein Hastangriff, der mehrere Gegner auf einmal erledigen kann, sind sie hintereinander positioniert. An anderen Stellen gibt es Powerups, das erste davon beschleunigt den Ghostrunner so massiv, dass die Gegner in Zeitlupe weggefegt werden können. Sowas wird dann auch für manche der in den Leveln verteilten Rätseln benutzt. Dazu kommen Upgrades, die über ein Blocksystem kombiniert und problemlos umkonfiguriert werden können, sodass dann beispielweise zwei Ausweichbewegungen per Shift hintereinander möglich sind und Powerups länger halten.
Flow vs Schwierigkeit
Ich muss nochmal betonen wie schwer das Spiel ist. Ob Sprungpassagen, reguläre Gegner oder bei den Bossen, alle möglichen Situationen ließen mich zigfach ins Gras beißen. Pro Level dann gerne auch hundertfach, was eine Statistik am Ende auch noch anzeigt. Und gerade bei den Bossgegnern und einer Sprungpassage am Ende zweifelte ich mehrfach, ob ich das Spiel überhaupt würde beenden können. Das verlangte Timing ist härter als bei den schwierigeren Bossgegnern in Dark Souls, deutlich schwerer als bei dem bekannten Parkour-Spiel (und klarer Inspiration) Mirror's Edge. Mich aber packte dann der Ehrgeiz, das Spiel besiegen zu wollen, und schwierige Stellen irgendwann hinzukriegen ist ja auch belohnend. Und mit der tollen, treibenden Musik des Spiels im Ohr und den schnellen Sprüngen zum letzten Rücksetzpunkt entsteht schnell ein fesselnder Flow.
Mir half auch, dass die Story nicht daneben war. Sie erzählt von einem Machtkampf in einer dystopischen Welt und wird während dem Spiel durch drei mit dem Ghostrunner redenden Akteuren erzählt, jeweils gut vertont. Die Grafik ist noch dazu ansehnlich, auch wenn mein Magen mit den Cybervoid-Passagen mit ihren wabernden Texturen etwas zu kämpfen hatte.
Ghostrunner ist vom 11. bis zum 18. April kostenlos im Epic-Store zu haben. Es lief einwandfrei unter Wine 9.5, wie installiert und konfiguriert von Heroic.
Ich würde gerne behaupten, dass ich Spaß mit dem Spiel hatte, aber das trifft es nicht wirklich. Es hatte mich gepackt und ich konnte es respektieren, es ist insgesamt gut gemacht. Aber an einzelnen Stellen schlittert es nur haarscharf daran vorbei, durch einen zu hohen Schwierigkeitsgrad unspielbar zu werden – perfekt ausbalanciert ist es nicht, die Schwierigkeitsspitzen sind bei einem sowieso hohen Anspruch dann teils zu viel. Entsprechend muss ich dann auch die Empfehlung einschränken: Ich gebe eine, aber nur wenn man frustresistent an dieser Art von Spielen Spaß finden kann, an stark fordernden Reaktionstests, für mit Maus und Tastatur wirklich geübte Spieler.
Divinity: Original Sin (Enhanced Edition)
Monday, 25. March 2024
Divinity: Original Sin ist ein Prequel zu der Divinity-Serie, mit der sich die Larian-Studios vor ihrem Riesenhit Baldur's Gate 3 beschäftigten. 2014 veröffentlicht kam ein Jahr später die Enhanced Edition heraus, mit inhaltlichen Änderungen bei der Story, Verbesserungen bei der Sprachausgabe, einer Linuxversion usw. Wie spielt sich das heute?
Charaktererschaffung
Zu Beginn auf jeden Fall recht klassisch, denn zuerst steht die Charaktererschaffung. Die läuft wie in vielen RPGs, wobei zwei Charaktere gebaut werden. Jeweils gilt es das Aussehen der Figur zu wählen, mit einem gezeichnetem Porträt und Anpassungen an dem 3D-Modell; die Herausforderung da, das Modell durch Haarstil und Farbe dem Porträt anzugleichen. Zweitens die Sprachausgabe, wie der jeweilige Charakter klingen soll – das wählen zu können erinnert direkt sehr an Baldur's Gate 1. Drittens die Attribute, Fähigkeitenstufen und Eigenschaften des Charakters, die das Spiel direkter beeinflussen als das Aussehen, wie bei fast allen RPGs.
Die Attribute sind wenig überraschend Stärke und Konstitution für Nahkämpfer, Geschicklichkeit und Wahrnehmung für Fernkämpfer, Intelligenz für Magier. Für alle nicht unwichtig ist Geschwindigkeit, was die Aktionspunkte im Rundenkampfsystem beeinflusst. Attribute funktionieren dabei neben ihrem Einfluss auf Ausweichen und Schaden vor allem auch als Schranke für die Ausrüstungsgegenstände, ein besserer Bogen als Beispiel braucht eine gewisse Geschicklichkeitsstufe. Entsprechend verteilt man hier die Punkte.
Dann die Fähigkeitenstufen, und hier wird es etwas wirr. In der Liste oben stehen die Waffenfähigkeiten, die geben aber nur Schadensboni und sind zweitrangig. Viel wichtiger sind die Fähigkeitenstufen für die Rollen, z.B. Expert Marksman. Denn damit können die im Kampf auslösbaren Fähigkeiten gelernt werden, die bei Händlern als Gegenstand gekauft oder im Laufe des Spiels gefunden werden. So kann dann der Bogenschütze einen Mehrfachschuss abfeuern oder auch einen Charakter notdürftig verarzten. Auch für Nahkämpfer gibt es eine solche Rolle samt interessanten Fähigkeiten, Man in Arms, Magier lassen sich auf vier Elementarbereiche spezialisieren, dazu gibt es eine von mir wenig genutzte Diebesrolle.
Verteidigungsfähigkeiten gibt es obendrauf, z.B. der bessere Umgang mit Schilden. Dann gibt es einen Bereich zum Umgang mit NPCs – in dem auch eine für den Kampf nicht unwichtige Führerrolle ist, gibt die doch nette Boni für alle Charaktere wenn der Anführer in Sichtweite ist, vor allem aber erhöhen Punkte in diesem Bereich die Gewinnchancen im Überzeugungs-Minispiel. Ein weiterer Bereich dient dem Craften, Reparieren und dem Identifizieren magischer Gegenstände (wobei der dafür genutzte Loremaster-Skill ebenfalls auch im Kampf hilfreich ist, dazu unten mehr), und schließlich ist da der Fähigkeitenbereich für halbseidenes, wie Schlösser knacken und Taschendiebstahl.
Den Abschluss der Charaktererschaffung bilden die Perks. Und auch hier ist es etwas wirr: Da gesellt sich überflüssiges neben sehr praktisches. Ein Perk beispielsweise verringert nur etwas die Abnutzung von Gegenständen in Kampf, wobei ein Reparaturhammer auch unterwegs die Abnutzung direkt wieder zurücksetzt, das macht den Perk unnötig. Ein anderer dagegen ermöglicht das Sprechen mit Tieren, wovon es sehr viele im Spiel gibt die viele nützliche Hinweise geben. Viel wichtiger. Und auch für den Kampf gibt es sehr hilfreiches, wie die Möglichkeit die Reichweite von Zaubersprüchen zu erhöhen, oder in Blutlachen stehende Kämpfer sich heilen zu lassen.
So erstellte ich mir einen defensiven Nahkämpfer, den ich später mit Heilmagie zum Paladin weiterformen wollte, und eine Bogenschützin, die auch Erdmagie beherrschte.
Storybeginn und erste Wendung
Die zwei soeben erschaffenen Charaktere landen dann mit der Kamera in Draufsicht an einem Strand. Der Auftrag: Als Source-Hunter einen Mord untersuchen. Source sei die Quelle finsterer Magie, der eigene Orden dessen Ausrottung gewidmet, und bei dem Mord könnten Source-Magier eine Rolle gespielt haben. Gleichzeitig ist diese Kleinstadt unter Beschuss: Auf der einen Seite kriegslüsterne Orks, auf der anderen anstürmende Untote. Klar, es ist dann an uns, diese Quests aufzulösen – wobei viele kleinere Nebenquests dazukommen.
In diesem ersten Ort gibt es auch vier zusätzliche Begleiter, wovon jeweils zwei in die Gruppe aufgenommen werden können (die anderen warten dann erstmal in der Taverne). Von den vieren fand ich in meinem Durchlauf aber nur drei – ungewöhnlich, die nicht so prominent zu platzieren, dass sie unverpassbar sind. Und auch bei den gefundenen hätte die Gefahr bestanden, sie nicht mitzunehmen: So ist die die Bogenschützin Bairdotr wegen Gewalttätigkeit in einem Käfig gefangen und das Spiel gibt die Möglichkeit, das hinzunehmen. Und der Magier Jahan besticht nicht gerade durch ein freundliches Gemüt, aus Rollenspielgründen wäre er auch rechtfertigbarerweise nicht mitnehmbar gewesen. Dabei ist gerade Jahan sehr wichtig, mit seinem Teleport- und Heilzauber wären ohne ihn bzw. direkten Ersatz viele Bereiche des Spiels schwer oder gar nicht machbar gewesen. Außerdem hat er einen interessanten persönlichen Quest, alle Begleiter haben davon einen. Das erinnert an Baldur's Gate 2 und sie kommentieren dann auch das Geschehen, aber ansonsten sind ihre Interaktionen nicht auf dem Level des großen Vorbilds, zu selten und zu begrenzt sind die Gespräche.
Wobei Bairdotr mich auch direkt gekniffen hat: Da läuft mir als erste Begleiterin eine Bogeschützin mit laut Story Tiersprachhintergrund über den Weg, nachdem ich genau so einen Charakter gerade gebaut hatte. Hmpf.
Auch an BG2 erinnert ein Kniff, der je nach Vorgehen sehr früh oder nach ein paar Spielstunden die Story auf ein anderes Niveau hebt: Plötzlich wird die Gruppe in einen kleinen extradimensionalen Bereich teleportiert. Und dort wird dann eine große, existenzbedrohende Storywendung angelegt, die Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Spielcharaktere haben könnte. Anfangs ist das sehr vage und fühlte es sich unangenehm an: Die angelegte kleine Geschichte um den Mord, Bedrohung durch Untote und Orks wirkte so, als ob sie sich ganz natürlich hätte weiterentwickeln können. Ähnlich wie Pillars of Eternity noch am Ende wirkte, war dieser epische Überbau zu Beginn überzogen. Aber im Spielverlauf rechtfertigte das Spiel ihn diesmal für mich: Original Sin baut diese Hintergrundgeschichte schichtweise weiter auf und verwebt sie so dicht mit der Spielhandlung, dass sie mich am Ende durchaus gepackt hatte. Die Geschichte hat nach dem holprigen Einstieg immer gelungen die Überleitung zu ihren jeweiligen Ebenen geschafft.
Solide Kämpfe samt Elementen
Um die Handlung zu erleben müssen viele Kämpfe geschlagen werden. Original Sin bedient sich dafür eines Rundenkampfsystems. Bewegungen, reguläres Angreifen und das Benutzen der verschiedenen Fähigkeiten kostet Aktionspunkte, die sich jede Runde neu auffüllen. Wie sehr beeinflusst das Geschwindigkeitsattribut, die abgeleitete Initiative bestimmt wer wann zieht. Was natürlich sehr wichtig ist, um noch vor den Aktionen der Gegner direkt die ersten Feinde auszuschalten, die Gruppe geschickter zu positionieren oder (besonders effizient) Verstärkung beschwören zu können. Das funktioniert gut.
Was mir die Kämpfe noch am meisten störte war ein Bedienungsproblem: Der Mauszeiger wechselt manchmal unerwartet zwischen Angriff und Bewegung. Dann läuft der Bogenschütze schonmal neben den Gegner, statt ihn zu beschießen. Es fehlt also ein festeres Aufschalten auf einmal mit dem Mauszeiger berührte Gegner, aber mit der Zeit konnte ich mich daran gewöhnen.
Divinity zieht in den Kämpfen viele Möglichkeiten aus dem Elementsystem. Stehen die Gegner beispielsweise in einer Wasserfläche, elektrifiziert ein entsprechender Blitzangriff alle auf einmal und gibt so die Chance, sie für ein paar Runden zu betäuben – und den auch im Wasser stehenden eigenen Nahkämpfer versehentlich genauso auszuschalten. Viele Gegner, gerade später, haben Resistenzen – dem Feuerdämon tut ein Feuerangriff nicht weh, sondern würde ihn gar heilen. Um das vorher zu erkennen kann ein Charakter mit hohem Loremaster-Level (sonst zum Identifizieren magischer Gegenstände genutzt) die Gegner jederzeit untersuchen, das zeigt dann ihre Werte samt Resistenzen und Schwächen an. Gerade bei stärkeren Gegnern und großen Gruppen macht das überlegte Nutzen der Elemente desöfteren den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage aus.
Gerade stärkere Gegner lassen dann auch magische Gegenstände fallen. Die haben auch ihre Stufe, brauchen also ein gewisses Level um sie ohne höhere Aktionspunktekosten zu benutzen. Riesig ist die Auswahl an Waffen und Rüstungen an sich nicht, aber es gibt mit den magischen Varianten genug Ausrüstung zu verwalten, mit passenden Eigenschaften, um die Charaktere zu spezialisieren. So trug mein Nahkämpfer ewig lange einen Helm, der zwar wenig Rüstung bot, aber seine Führungsfähigkeit und seine Konstitution verbesserte. Und der Einhandknüppel vom Miniboss, der Gegner umwerfen konnte, wurde viele Spielstunden durch nichts besseres ersetzt, zu gut passte das zu seiner defensiven Rolle. Gegen Spielende gibt es dann einen Überschuss an mächtigen magischen Gegenständen für alle möglichen Rollenentwürfe. Unpassend ist das dann nicht mehr.
Quests, Rollenspiel und überraschende Macken
Passend auch, dass es bei Quest und Rollenspiel viele kleine Entscheidungen gibt, bei denen die Positionierung meiner Charaktere gewählt werden kann – beobachte ich einen hungrigen Dieb auf dem Markt, lasse ich ihn gnädig davoneilen, oder blockiere ich autoritär rechtschaffen seine Flucht? Sowas bestimmt dann meinen Charakter auf verschiedenen solcher Skalen, was dann auch im Charakterbogen einsehbar ist und im Kampf gewisse Vorteile verschafft.
Andererseits gibt es je nach Sichtweise gar keine oder kaum große Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Handlung haben. Entsprechend kann man in den Gesprächen auch kaum eine Rolle spielen, keinen Tonfall wählen. Das Rollenspiel beschränkt sich meist auf die Auswahl von zwei Optionen, kleinen Dilemmas, die noch dazu an dem allgemeinen Handlungsfortschritt nichts ändern. Kein Vergleich selbst mit weniger bekannten RPGs wie Torment: Tides of Numenera, und obwohl das Spiel selbst so linear ist fühlte sich BG2 mit seinen expliziten alternativen Routen da freier an.
Auf den großen Karten lässt Divinity die Spielergruppe dann immerhin sehr frei vorgehen. So kann man direkt zu Beginn den Strand mit den anstürmenden Orks betreten, wird aber gewarnt, dafür noch zu schwach zu sein. Stattdessen gibt es alternative Aufgaben. Das Spiel ist recht geschickt darin, diese Alternativen anzubieten und so eine Progression aufzubauen – die Gruppe wird langsam stärker, Kartenbereiche öffnen sich, die Story geht weiter. Es gibt lineare Storybereiche und Absicherungspunkte (so lässt eine Tür vor dem Endbereich uns erst rein, wenn von einer Ressource genug gesammelt wurde, was die Abdeckung der Hauptstory sicherstellt), aber einiges läuft parallel und ist frei angehbar. Wie bei den Orks setzt dann das Gegnerlevel die Grenzen. Komplett optionale Bereiche gibt es ebenfalls, wohl ein weiteres Vorzeichen der gepriesenen Flexibilität von Baldur's Gate 3.
Das Spielervorgehen ist dabei auch in den Einzelsituationen nicht streng vorgegeben und es gibt Alternativen. In einem besetzten Dorf gegen Ende beispielsweise kann man eine Feindesgruppe infiltrieren und einen Kampf mit einer zweiten anstacheln, oder direkt mit einem "Ihr seid alle Unholde" viele Nebenquests verpassen und das Dorf mit Gewalt gegen alle Feinde auf einmal erobern. Umso mehr fällt es dann aber auf, wenn in einem Gebiet offensichtliche Handlungsoptionen nicht umsetzbar sind, wie eine Gefangenenbefreiung in einem Gefängnis der Bösewichte.
Wäre es umgesetzt, funkt manchmal bei solchen Handlungsoptionen das Entscheidungssystem dazwischen. Schrieb ich oben, dass kleine Gespräche den Charakter in verschiedenen Bereichen formen, stimmt das nur halb: Denn die Antwort auswählen kann ich nur für den gerade markierten Source-Hunter. Der Begleiter kann das ganz anders sehen. Und wird dann sagen: "Nein, wir machen das anders." Für solche Meinungsverschiedenheiten gibt es Schere-Stein-Papier als Minispiel. Nur: Der gerade gewählte Charakter ändert sich ja durchaus mal. Einmal ist also mein charismatischer Kämpfer der, mit dem ich das Gruppenvorgehen beeinflussen will, dann ist es wieder die Bogenschützin. Das ist verwirrend und wirkt kaputt.
Schlimmer: Das gleiche Minispiel dient auch dem Überzeugen von NPCs. Das sind manchmal wichtig wirkende Entscheidungsmomente nach einem großen Kampf. Die NPCs sprechen aber den ihnen am nächsten stehenden Spielercharakter an. Und dann ist es manchmal eben wieder meine wenig überzeugende Bogenschützin gewesen, ohne dass ich dann meinen Kämpfer einwechseln könnte. Dadurch lief das Minispiel oft nicht in meinem Sinne. Und manchmal muss dann erst der Begleiter von einer Antwort überzeugt werden, woraufhin dann der NPC überzeugt werden muss, manchmal mehrfach hintereinander in einem Gespräch. Sowas ist mehrfach richtig ärgerlich gewesen, gerade auch ganz am Ende, vor dem letzten Bosskampf.
Während man das Gesprächsproblem noch als spielerentmündigende Designentscheidung halbwegs rechtfertigen kann, die immerhin dem Spielverlauf eine gewisse Eigendynamik gibt, ist eine andere Macke völlig unverständlich: Herumstehende NPCs spulen immer wieder die gleichen Gespräche ab, vertont. Verweilt man dann an einer Stelle, z.B. um mal ins Inventar zu schauen oder um zu Handeln, hört man immer wieder die gleichen Gesprächsfetzen. Das wird fast unerträglich nervig. Wie konnte sowas in einer Enhanced Edition nicht abgestellt werden?
Gegen Ende hatte mich Divinity: Original Sin gepackt. Anfangs betrachtete ich es noch als sehr limitiertes, oder zumindest als sehr grobkantiges Rollenspiel. Das zwar sehr klassisch wirkte – was ich ja mag – aber auch viele Macken nicht ansatzweise verstecken konnte. Darunter, dass da zwar ein Craftingsystem eingebaut ist, ich es aber kaum benutzte – das hätte Skillpunkte gebraucht, die woanders dann fehlen würden, und das Spiel tut nichts, um mir die durch das System möglicherweise erreichbaren Vorteile zu zeigen. Durch den eingebauten Humor wirkt das Spiel auch erst nicht so, als sei es überhaupt ein ernstzunehmendes Rollenspiel – und er kollidiert immer mehr mit der Story, je mehr sie versucht episch zu sein.
Die Interaktionen in der Gruppe bleiben leider die ganze Zeit über dünn. Die Source-Hunter reden nur manchmal miteinander, noch dazu sind die Ausrufezeichen über den Köpfen dafür nur eine kurze Weile sichtbar. Das sind dann auch noch sehr kurze Gespräche mit jeweils einer Charakterentscheidung, ironischerweise formt sich dadurch eben kein Charakter heraus. Ähnlich sieht es mit den Begleitern aus, ein paar Kommentare, dazu ein persönlicher Quest: Das ist mehr als BG1, aber wieder kein BG2.
Dass da mehr ginge heißt aber nicht, dass das Spiel in diesem Bereich schlecht ist. Die Begleiter mag ich nach einer Weile ja doch, eben wegen ihrer Quest, ihrem Hintergrund und ihren Kommentaren (und Witzen), aber auch weil ich sie im Laufe des Spieles über viele Stunden ausgestalte, in Fähigkeiten und Ausrüstung. Und in anderen Bereichen ist es ja klar besser als die Altmeister.
Das Kampfsystem beispielsweise funktioniert uneingeschränkt gut. Divinity: Original Sin ist weiterer Vertreter der Rundenkampfsysteme und zeigt wieder mal kompetent, warum diese pausierbaren Echtzeitkampfsystemen im Zweifel vorzuziehen sind. Es vermeidet dabei die Schwächen der alten D&D-Spiele, indem es auch Kämpfern aktive Fähigkeiten gibt, als Pendant zu den Zaubersprüchen der Magier. Frei vom D&D-Ballast sind dabei nicht alle Fähigkeiten originell und die Systeme nicht tief, aber völlig ausreichend, gerade mit den Elementen und eben doch vorhandenen Statuseffekten. Den Schwierigkeitsgrad der Kämpfe fand ich auch angemessen, doofe Entscheidungen führen durchaus zum Gruppentod, doch bessere Ausrüstung und einen Levelfortschritt spürt man sehr. So soll es sein.
Eine gewisse Tiefe ist dann auch im Spiel drumrum. Wenn im ersten Hafen auf dem ersten Pier eine Kiste durch ein Seil abgesperrt ist, ist das in Spielelogik normal und unerreichbar. Es gibt keinen Sprung, kein Klettern. Aber mit dem Teleportzauber kann dann ein Charakter doch die Kiste plündern. Ein ziemliches Aha-Erlebnis! So wie auch das Spiel mit den Elementen, dass eine Giftwolke weggebrannt werden kann, die Feuerfläche dann durch Wasser weggewischt wird. Sowas baut sich gut in die Dungeons, aber auch stark in die Kämpfe, und hatte ich so noch nicht gesehen. Thema Dungeons: Manche der Rätsel dadrin waren unlösbar und die Hinweise schlicht falsch, beispielsweise wenn alle Kerzen anzuzünden seien, aber in Wirklichkeit alle außer einer. Es gibt aber auch lösbare Rätsel, die machen dann Spaß.
Diese Macken bei den Rätseln beschreiben für mich gut das Spiel als ganzes: Es ist ein Rollenspiel mit einigen Problem, aber auch mit viel Potential und insgesamt bereits gut. Die Topwertungen, die es bei Release bekommen hat (z.B. die 9.0 bei GamersGlobal), waren arg überzogen, dafür funktioniert zu viel nicht. Aber wer Rollenspiele mag, dem sei dieses trotzdem empfohlen, ein beachtenswerter Genrevertreter ist es durchaus.
Nintendo Gamecube und HDMI: Nicht jede Lösung taugt (Erfahrungsbericht)
Monday, 11. March 2024
Meinen Gamecube hatte ich schon vor einer Weile mit meinem HDMI-Projektor verbunden, aber das Ergebnis war Mist. Jetzt probierte ich eine neue Lösung.
Mini AV2HDMI Upscaler
Der günstigste Weg ist ein analoger HDMI-Adapter, der daher damals auch mein erste Wahl war, wie er vor einer Weile typischerweise auf Ebay verkauft wurde:
Dieser Adapter nimmt das analoge Signal, das sonst zum Scart-Anschluss gehen würde, skaliert es auf 720p oder 1080p hoch und gibt es als digitales HDMI-Signal aus.
Das klingt super, hat aber ein großes Problem: Das Ergebnis ist Mist. Schau selbst:
Auf dem Foto sieht das Bild erstmal gar nicht so schlecht aus. Es wirkt, als habe ich einfach ein schlechtes Foto geschossen. Aber das ist es eben nicht, sondern die Details sind wirklich so unscharf. Achte mal auf den Golfball unten rechts: Der ist einfach nur eine weiße Fläche, der rote Punkt ist kaum zu erkennen. Und das hängt eben nicht am Foto, sondern ist mit eigenen Augen genauso. Das Bild ist unscharf und es wird beim Kontrast enorm verfälscht, sodass helle Flächen blendend weiß sind und viele Interfacelemente auf ihnen daher kaum zu erkennen sind.
Oder zumindest war das so mies für meine Gerätekombination von Gamecube und Projektor. Dazu kam dann noch, dass der Adapter nur mit dem Ausgabeformat PAL umgehen konnte, mein Gamecube aber ein NTSC-Spiel auch abspielen sollte. Das flackerte dann furchtbar. Und mit den vielen Kabeln und dem benötigten USB-Ladegerät für die Stromversorgung war das auch unabhängig vom Bild keine stabile Lösung.
Bitfunx Line-Doubler-Adapter
Die nun getestete alternative Lösung bewährte sich schnell: Bitfunx Line-Doubler-Adapter. Der wandelt statt dem analogen das digitale Bildsignal des Gamecube um. Versprochen wird hier kein 1080p, aber da die Umwandlung so viel besser funktionierte war das Bild viel besser, Spiele waren so tatsächlich angenehm spielbar. Das Vergleichsbild:
Vielleicht sieht das auf den ernsten flüchtigen Blick gar nicht arg besser aus, zuerst irritiert auch die Größe. Tatsächlich ist der Kontrast aber viel höher und die Details sehr viel klarer zu erkennen. Schau wieder auf den Golfball: Der hat plötzlich erkennbar die Golfballporen, ist nicht mehr nur eine weiße Fläche - genau wie auch die große Wolke im Hintergrund jetzt Konturen hat. Der rote Punkt auf dem Ball ist diesmal deutlich zu erkennen. Und auch bei Mario selbst, bei seiner Mütze zum Beispiel, sind die Formen viel klarer. Bei der Distanzanzeige (212y) kann man die Bedienelemente entziffern, dadurch erst erkennen, dass L und R etwas umschaltet.
Insgesamt ist das Bild in jedem Detail viel schärfer, und wieder liegt das eben nicht am Photo, sondern ist auch in echt so.
PAL oder NTSC ist für den Bitfunx-Adapter dann auch noch tatsächlich kein Problem, das wird ohne für mich merkbaren Unterschied umgewandelt. Dazu entfällt das Kabelchaos: Der Adapter kommt als Stick hinten in den Gamecube, verstärkt von einer mitgelieferten 3D-gedruckten Stütze, da kommt das HDMI-Kabel direkt rein, eine Stromversorgung braucht es nicht. Viel sauberer.
Ein paar Probleme hat das Gerät auch. Das erste: Es ist teurer, ich zahlte 38€ und gerade steht der Aliexpress-Preis bei 52€. Viel Geld für eine alte Konsole. Beim momentanen Preis hätte ich daher wohl zum etwas weniger schicken GC-Plug gegriffen, der wohl die Vorlage für den Bitfunx-Adapter war (aber mit Mini-HDMI-Ausgang und ohne mitgelieferte Fernbedienung etwas weniger komfortabel ist). Dann ist beim Gerät noch eine Fernbedienung dabei, mit der die Zeilenverdopplung und ein paar Röhrenmonitoremulationen aktiviert werden können. Gerade die Verdopplung soll dabei die Bildqualität verbessern, bei mir tat sie das aber nicht – vielleicht, weil bei mir ein Hochskalieren der Auflösung durch den Projektor so oder so passiert und das die Unterschiede minimiert. Könnte mit anderen Geräten und generell mit Fernsehern anders aussehen, aber ich würde mir da erstmal nicht zuviel versprechen.
Das größte Problem aber ist, dass nicht alle Gamecubes ein digitales Bildsignal ausgeben. Später produzierten fehlt der Anschluss, sie haben kein Digital AV Out links neben dem Analog AV Out. Für die gibt es keine Alternative zum Umwandeln des analogen Signals – und nur die Hoffnung, dass andere Adapter ein besseres Bild als der meine ausliefern. Der von Bitfunx vielleicht? Ich habe ihn nicht getestet, er muss nicht besser sein.
Ich verweise da ansonsten auf diesen ausführlichen Blogartikel von Retrostage, der hat noch einige Vorschläge auch für das analoge Signal.
Soviel dazu. Ein Beispiel dafür, dass zu billig zu kaufen manchmal eben wirklich einen zweiten Kauf erzwingt. Wobei das ein paar Jahre her ist und wer weiß, welche Optionen es damals schon gab. Heute jedoch kann man den AV2HDMI-Adapter bei diesem produzierten Bild eigentlich nur wegschmeißen. Andererseits: Ich meine, ihn anfangs mit meinem SNES getestet zu haben und dass das Bild da besser war. Das sollte ich mir vorher nochmal anschauen.
Mods für Cyberpunk 2077 und Phantom Liberty
Monday, 5. February 2024
Um Cyberpunk 2077 samt Phantom Liberty hat sich eine aktive Moddergemeinde versammelt. Sind es sonst vor allem Bethesda-Spiele gewesen, die Modder inspirierten, entpuppte sich inzwischen auch Night City als geeignete Vorlage, bei dessen Engine und Spielzustand zudem weniger Klagen zu hören sind als bei Skyrim & Co. Entsprechend gibt es mittlerweile einige Mods, die das Spiel in Details verbessern, erweitern oder auch nur abändern. Und manche davon wurden gar Vorlage für später ins Spiel integrierte Funktionen, wie die Hausbesuche eurer Liebschaft.
So beginnt drüben bei GamersGlobal ein Artikel von mir zu empfehlenswerten Cyberpunk-Mods. Er beschreibt auch die Installation und beschränkt sich auf meinen Modgeschmack: Sinnvolle Verbesserungen für das Spiel, keine krassen Verfälschungen.
Cyberpunk 2077 fand ich großartig. Mein Review zu Phantom Liberty zog dann ein durchwachsenes Fazit, weil mir neben all den Stärken der an sich tollen Erweiterung auch die unnötigen Schwächen auffielen. Denen zum Trotz hat mich das Spiel über die letzten Monate ziemlich eingefangen, sodass ich dann auch nochmal mehr mit Mods experimentierte. Dabei fanden sich einige, die das Spiel aufwerten, und so auch das Material für den Artikel.
Schaut gerne mal rein.
BIG-Nachträge: Interview und Messebericht
Thursday, 28. December 2023
Als ich letzte Woche von meinem Besuch der Bilbao International Games Conference erzählte, standen zwei größere Artikel noch aus. Der erste ein Interview mit Anna Guxens, einer RPG-Designerin bei den Larian Studios, die mit mir über diese Rolle und ihre Arbeit an Baldur's Gate 3 redete. Der zweite mein Messebericht, der den vorherigen Blogartikel etwas ergänzt und die Konferenz bzw meine Erfahrung dort noch etwas näher beschreibt.
Gerade das Interview halte ich für wirklich lesenswert, soweit ich das aus meiner Perspektive bewerten kann.
Ich berichtete von der Bilbao International Games Conference
Wednesday, 20. December 2023
Am Freitag und Samstag letzter Woche fand ich mich auf der Bilbao International Games Conference in einer Reporterrolle wieder.
BIG via GG
Und das kam so:
Die BIG ist eine spanische Spielekonferenz, hauptsächlich für Entwickler bzw die Spieleindustrie. In einem Konferenztrack halten dort Entwickler Vorträge oder werden welche gehalten, die Spielemacher interessieren könnten. Gleichzeitig ist es ein Ort für Treffen untereinander, für die Publishersuche und für Interviews mit der Presse. Außerdem gibt es eine Ausstellungshalle, in der vor allem Indie-Entwickler ihre Spiele vorstellen und die dann meist auf Publishersuche sind. Und auch Spielereleases gab es.
Seit einigen Jahren habe ich einen Account bei der deutschen Spieleseite Gamersglobal. Ein halbes Mitmachmagazin, habe auch ich dort (für die größere Reichweite) Artikel veröffentlicht. Stammleser dürften sich erinnern, meistens verlinke ich die dann hier, manchmal waren es auch alternative Versionen von Blogartikeln. GamersGlobal nun war angefragt worden, ob sie nicht über die BIG berichten würden. Die Redaktion konnte das aber im vorweihnachtlichen Trubel nicht. Also wurde bei den anderen Community-Schreibern gefragt, bei denen die Zeit aber auch zu knapp war. Ich aber konnte und wollte.
Für mich war es perfektes Timing. Als die Anfrage reinkam war ich gerade aus Mexiko zurück, wo mein Spanisch sich stark verbessert hatte. Kurz vor Weihnachten war mein Terminkalender recht leer (außer dem generellen Zeitmangel für meine Softwareprojekte…). Und Messeberichte hatte ich ja schon gemacht, auch über Spiele schreibe ich seit Jahren, aber die Kombination hatte ich noch nie und diese offizielle Presserolle auf einer Konferenz schon gar nicht. Das reizte mich.
Die Ergebnisse
Meine Sorge war natürlich, dass es nicht klappen könnte. Dass entweder die Vorträge und die gezeigten Spiele langweilig sein würden, ich Interviewmöglichkeiten verstotterte oder den Spagat nicht schaffe würde zwischen dem Teilnehmen an der Konferenz und dem Schreiben darüber. Es war unbegründet. Sowohl zu den Vorträgen als auch zu den gezeigten Spielen ließen sich problemlos noch auf der Konferenz News schreiben. Dabei half auch ein ordentlicher Presseraum. Selbst mein altes LG G5 bewährte sich als Messe-Fotoapparat, zumindest waren die Bilder nicht inakzeptabel schlecht (wobei, sollte ich das öfter machen wäre es Rechtfertigung für ein neues Telefon mit besserer Kamera, oder für eine separate Kamera).
Die Liste bisher:
- Ein Besuch auf der Bilbao International Games Conference 2023 (Fotogalerie)
- Tiny Garden angespielt // Erntet Lob
- Atmosphärisches Puzzle-Adventure Evolution angespielt
- Wie Larian Baldur's Gate 3 entwickelte
- Das Metroidvania Eden's Guardian angespielt
- Titanium Awards verliehen, Zelda TotK ist Spiel des Jahres
- Les Mills XR Dance für die Quest 2 und 3 gezeigt
- Warum manche Spiele ständig reduziert sind
- Tekken-Leiter Katsuhiro Harada zur Zukunft von Prügelspielen
- Blasphemous 2 war ein schwieriger zweiter Teil
Schaut da gerne mal rein. Die Liste soll auch zeigen, dass es überhaupt kein Problem war, spannende Themen zu finden. Und mit mehr Leuten vor Ort hätte man locker die doppelte Zahl an News und Berichten schreiben können.
Ein bisschen Glück war bei der Sache auch dabei, natürlich. Zum einen, dass der Vortrag zu den Spielepreisen sehr früh war, und mir da sofort einfiel, wie man das für die Leser verpacken könnte (der Inhalt war ja ursprünglich an Entwickler und nicht an Käufer gerichtet, das musste umgedreht werden). Danach fiel das bei den Folgevorträgen recht einfach, der Ball war im Rollen. Zudem lief mir mit Iván Lerner ganz früh ein absolut sympathischer und messerscharf denkender Reporter über den Weg, der mir ein paar wirklich hilfreiche Ratschläge geben konnte und der eine fantastische Begleitung für die Feiern am Abend war. Ein absoluter Glücksfall.
In kurz, die BIG-Konferenz in Bilbao war spaßig und mir machte die Rolle als Konferenzreporter ebenfalls Spaß. Es gab auf ihr nicht die großen Enthüllungen oder die Möglichkeit, als erster überhaupt ein großes neues Spiel anzuspielen, zumindest bekam ich sowas nicht mit. Aber sie lieferte einen interessanten Einblick in die Spieleindustrie, besonders in die spanische Szene – und die ist spannend, denn sie macht international relevante Spiele.
Cyberpunk 2077: Phantom Liberty bringt viel Gutes und gravierende Macken
Monday, 16. October 2023
Cyberpunk 2077 war schon vor der kürzlich erschienen Erweiterung ein fantastisches Spiel – grafisch, spielerisch, von der Atmosphäre. Phantom Liberty erweitert das Stadtgebiet von Night City um einen gelungen andersartigen Bereich und erzählt darin eine spannende zusätzliche Geschichte, plus einige Nebenquests. Gleichzeitig kam Patch 2.0 heraus, der viele Details des Grundspiels änderte. Doch nicht alles gefällt mir.
Dieser Artikel beschreibt meinen Eindruck nach etwa 50 Stunden. Ich bin mit der Erweiterung – für die ich einen neuen Spielstand angefangen hatte – und dem Spiel noch nicht fertig, werde aber eine Weile nicht mehr dazu kommen weiterzumachen. Um die Releasenähe und meine bisherigen Gedanken nicht zu verlieren daher dieses vorgezogene Review. Ändert sich in Zukunft etwas an meinem Eindruck folgt ein Update.
Update 01.12.2023: Mittlerweile habe ich die Erweiterung durchgespielt. Mein Fazit hat sich tatsächlich etwas zum Positiven verändert, der Artikel unten ist entsprechend angepasst.
Sinnvolle Verbesserungen des Grundspiels
Beim Start meines neuen Charakters habe ich mich über die vielen Änderungen am Grundspiel sehr gefreut. Alle zu Beginn sichtbaren sind sinnvolle Änderungen, teils tatsächlich Dinge, an denen ich mich vorher wirklich gestört hatte.
Teils sind das Kleinigkeiten wie das Telefon. Bei dem war es vorher eine kleine Tortur, per kurzen oder langen Tastendruck in den richtigen Modus zu wechseln, also Anrufe oder SMS. Jetzt ist es ein umschaltbares Interface, von dem aus beides gemacht werden kann und das Spiel bugsiert einen immer in den richtigen Modus. Gleiches Niveau: Die Liste der Shards mit ihren Notizen ist jetzt immer eingeklappt, sodass der gesuchte über die Kategorie viel leichter gefunden werden kann.
Ab jetzt wird es tiefgreifender. Vor 2.0 bestimmten Kleidungsstücke den Rüstungswert, wie in den meisten Rollenspielen. Ein früheres Update hatte schon die Möglichkeit gebracht, statt dem (für die Werte) ausgewählten ein parallel zusammengestelltes Outfit am Körper von V zu sehen. Das ist jetzt seltener nötig, denn generell haben Kleidungsstücke keinen Rüstungswert mehr. Schutz vor Schaden kommt stattdessen durch die Implantate. Dass es die Outfits trotzdem noch gibt macht trotzdem Sinn: Erstens ist so das schnelle Umschalten zwischen verschiedenen Looks möglich, zweitens gibt es doch noch Kleidung, die (geringe) Boni bringt. Aber größtenteils entfällt Kleidung als spielentscheidendes Spieelelement, muss weniger aufmerksam gesammelt oder gar aufgerüstet werden.
Bei den Waffen und Kleidungsstücken entfällt übrigens das sichtbare Levellimit. Stattdessen setzt Cyberpunk rein auf Auto-Balancing, die Qualität der gefundenen Ausrüstung basiert immer auf dem eigenen Level. Dazu unten mehr.
Bei den Implantaten sind also für die Rüstung neue dazugekommen, auch daneben gibt es viele neue. Aber es gibt hier auch neue Limits: Einen Toleranzwert, der abseits einer Fähigkeit im Technikbaum nicht überschritten werden kann. Verschiedene Implantate fressen unterschiedlich viel dieses Wertes, gleichzeitig geben die Implantate mindestens so große Boni wie zuvor. Die Zusammenstellung muss man sich also gut überlegen. Wobei es jetzt auch Implantate der Qualitätsstufe ikonisch gibt, die besonders viel bringen – und besonders viel kosten. Das passt gut in diese Welt der Cyberpsychosis, auch zu dem, wie Cyberpunk in der Netflixserie dargestellt wurde.
Heilgegenstände und Granaten verbrauchen sich nun nicht mehr. Sind sie einmal in einer Qualität gefunden, sind sie für immer verfügbar. Stattdessen wird ihr Einsatz von einem Timer gestoppt. Anfangs zwei geworfene Granaten und es gibt keine dritte mehr, bis die Granaten sich nach ein paar Sekunden wieder aufgeladen haben. Das ist großartig: Es gibt keinen Grund mehr ihren Einsatz generell zu sparen, nur wohldosiert will er sein. Und es vermeidet die Situation, 900 ungenutzte Heilitems im Inventar zu haben und sich fortan durch absehbar jeden Kampf des Spiels durchheilen zu können.
Auch die Fähigkeiten wurden komplett überarbeitet. Es gibt noch die gleichen Kategorien, aber keine Unterkategorien mehr. Und die Fähigkeiten selbst wurden stark abgeändert. Ähnlichkeiten sind da, wie dass Cool für die Wurfwaffen verantwortlich ist und Schleichen erleichtert. Aber die Effekte der einzelnen Fähigkeiten sind komplett umgebaut worden, und sie sind jetzt teils hierarchisch, brauchen also vorher gelernte Fähigkeiten um gewählt werden zu können (und nicht mehr nur genug versenkte Attributpunkte, wobei das immer noch dazukommt). Damit wurde auch viel an der Balance verändert – hatte ich vorher durch die entsprechenden Fähigkeiten einen 1000 Schadenspunkte austeilenden Revolver, bekam ich ihn diesmal nur auf knapp 500. Generell ist die neue V von den Werten etwas weniger stark spezialisiert, war mein Eindruck, wobei die Skills teils sehr coole Zusatzfähigkeiten freischalten, wie das Blocken von Kugeln mit einem Katana oder eine Art kurzen Flug durch die Luft, zusätzlich zum (per Implantat Doppel-)Sprung.
Neue Herausforderungen in Dogtown
Mit all diesen Änderungen kann nun auf Wunsch Cyberpunk wieder von vorne angefangen, alternativ die Inhalte von Phantom Liberty direkt ausgewählt werden. Ich entschied mich für ersteres und erlebte wieder die normale Geschichte bis zu einen gewissen Punkt, an dem dann V ein neuer Anruf erreicht. Das Szenario: Ein Flugzeug steuert auf Night City zu, genauer: Auf Dogtown. Das ist ein neuer Stadteil, der durch ein Tor vom Rest der Stadt abgeschirmt ist, kontrolliert von einem Militär. V soll dorthin reisen und die Insassen des Flugzeugs retten. Wie das eingeführt und inszeniert wird ist großartig, so wie es schlicht eine Freude ist, eine neue Geschichte in Cyberpunk zu erleben. Von der will ich daher ansonsten nichts weiter spoilern.
Dogtown ist auch nicht einfach ein neuer, ansonsten gewöhnlicher Stadtteil. Nein, er ist wirklich vor die Hunde gegangen. In der Geschichte wurde das Gebiet nach einem Krieg übernommen und nie richtig wieder aufgebaut, es könnte so auch einem (grafisch beeindruckendem) Fallout-Spiel entspringen. Dieser Aspekt wird durch die Nebenmissionen vielfach unterstrichen, auch durch die neuen, nur dort aufzufindenden Kleidungsstücke, von denen viele endzeitlich angehaucht sind.
Gleichzeitig belohnt das Erweiterungsgebiet die investierte Spielzeit durch neue Arten von Skillshards mit permanenten Upgrades, einfliegenden Versorgungskisten mit ikonischen (im Sinne der Qualitätsstufe) Ausrüstungsgegenständen, darunter vielen Implantaten. Das Gebiet bietet auch spezielle Relict-Attributpunkte, mit denen ein neuer kleiner Fähigkeitenbaum mit Zusatzfähigkeiten gefüllt werden kann, was V dann doch nochmal spezialisiert. Das alles ist sehr angenehm.
Auffallende Verschlechterungen
So toll das alles bis jetzt auch klingen sollte, so hat Phantom Liberty doch auch Probleme, und selbst das Grundspiel hat durch manche Änderungen neue Probleme.
In den Nebenmissionen von Phantom Liberty zeigen die Entwickler eine Unehrlichkeit, die das Hauptspiel vorher vermied. Ein Beispiel: In einer Mission soll ein Transporter von A nach B gebracht werden. Direkt beim Aufbruch gerät ein Kollege in Gefahr, V kann ihn retten, riskiert dann aber mehr Straßenblockaden. Doch das ist mitnichten wahr: Nach der Rettung wird das transportierte Gut automatisch beschädigt ankommen. Rettet man den Kollegen nicht und fährt bewusst in jeden Gegner hinein, das Gut bleibt trotzdem heil. Das Ergebnis ist schlicht geskriptet, anstatt die Konsequenz als Spielinhalt zu verpacken und so eben auch eventuell bewältigbar zu machen.
Im Ergebnis sind die neuen Nebenmissionen oft unbefriedigend. Nicht immer, aber erstaunlich oft gibt es egal ob des Verhaltens, den Entscheidungen und V's Attributen keine gute Lösung. Das reicht bis in die neuen Hauptmissionen hinein: An einer Stelle ist ein Netrunner in Gefahr. V kann mit einem hohen Skillcheck auf Intelligenz schnell seine Verbindung kappen – der Netrunner stirbt trotzdem, der Skillcheck ist nur Zierde. Das Hauptspiel hat fast die gleiche Situation in einem Nebenquest, dort rettet der Skillcheck noch das Leben. Warum ist da das Spiel so? Reichte die Zeit nicht, um verschiedene Konsequenzen später angemessen in der Story zu berücksichtigen?
Mir verleidet das ein bisschen das Spiel. Auch das Hauptspiel hatte solche Missionen, auch die Hauptstory ist düster und stellenweise wirkt sie, als ob es keine guten Möglichkeiten gibt. Aber das stimmt fast immer nur so halb und die Nebenmissionen mit nur schlechtem Ende wurden durch doch positiv beeinflussbare aufgewogen. Diese Balance ist den Entwicklern in Phantom Liberty bisher nicht gelungen und ich befürchte als Spieler ständig, dass die Story der Erweiterung genauso unehrlich ins Desaster führt. Für ein Rollenspiel mit Entscheidungen und Konsequenzen ist das unangemessen. Natürlich darf es feste Katastrophen geben, natürlich darf der positive Ausgang schwer zu erreichen sein, aber immer wieder nur zwischen Pest und Cholera wählen zu können ist frustrierend und unspaßig.
Noch schlimmer ist das neue Autobalancing. Wie oben erwähnt ist das Levellimit bei Waffen weggefallen. Erstmal ist das gut. Cyberpunk setzt das aber durch ein Angleichen der Waffen aller Gegner an das eigene Level um. Ich möchte nicht ausschließen, dass das stellenweise nicht stimmt – vielleicht gibt es immer noch Gegner im Anfangsgebiet, die schwach bleiben. Und ich erlebte definitiv Gegner und Nebenmissionen in später zugänglichen Gebieten, die anfangs zu schwer waren. Doch größtenteils skalieren die Gegner und ihre Ausrüstung mit dem Spielerlevel mit. Missionen haben dementsprechend auch keine Anzeige mehr, ob sie noch zu schwer oder mittlerweile leicht wären. Aber schlimmer noch: Das gleiche gilt für Skillchecks! Nicht alle im gleichen Maße, aber generell fast alle Skillchecks sind sichtlich nicht mehr auf einen Wert festgelegt. Sondern sie werden schwerer, wenn V ein höheres Level erreicht.
Aufgefallen ist mir das erst nach eine Weile, im Delamain-Quest, wo die alternative Lösung für eine wichtige Entscheidung nicht mehr 11 Intelligenz braucht, sondern bei mir 16. Laut Wiki geht das Limit bis 20 hoch. Das sah ich später sowieso oft, dass Türen zu öffnen auf einmal 20 in Technik investierte Attributpunkte brauchte, wo das Hauptspiel vor 2.0 niemals so hochgegangen wäre. Unheimlich frustrierend, weil der Spieler so in Quests später oft (immerhin nicht immer) nur noch von den auf 20 Punkten maximierten Attributen profitieren kann und das Spiel so die Möglichkeit verbaut, sich auf Missionen vorzubereiten. Das minimiert das Fortschrittsgefühl und macht Cyberpunk 2077 zumindest in diesem Aspekt zu einem klar schlechteren Spiel, als es vor 2.0 war.
Dem Fortschrittsgefühl ist auch nicht damit gedient, dass das Levellimit nicht ausreichend erhöht wurde. V kann jetzt Stufe 60 erreichen, also 10 Stufen mehr, aber das bedeutet trotzdem, dass bei Bestreiten auch nur einiger Nebenmissionen das Maximallevel lange vor Spielende erreicht werden wird.
Bugs als sei es 2020
Was mich noch fassungsloser macht sind die Bugs, die ich in Cyberpunk nun wieder erleben darf. Vorab, ich spiele unter Linux mit Proton und kann nicht ausschließen, dass dieses Setup sie teilweise auslöst. Aber es sind von der Art die gleichen Bugs, über die beim Release 2020 berichtet wurde, daher bezweifel ich das.
Ruft V sein Fahrzeug, erscheint es und fährt in die Nähe. Immer wieder kollidiert es dabei mit anderen Fahrzeugen, bleibt in der Ferne stehen, oder fährt zu V, versucht zu bremsen aber schlittert noch 30 Meter weiter, kollidiert gar mit voller Wucht in eine Wand. Das erinnert zwar an Teslas Autopilot, aber ich vermute, dass das Verhalten nicht als cleverer Kommentar gemeint und damit gewollt war.
Ich sah fliegende Autos, die von Kollisionen hunderte Meter in die Luft geworfen waren. Leichen, die in der Luft schwebten. Autos, die harmlos einer Straße entlangfahrend grundlos explodierten. In Dogtown gab es eine Mission in einer Kirche, ständig hört ich draußen das Geräusch von schweren Kollisionen – wahrscheinlich war da eine der Stellen, wo die Autos irgendwie mit der Straße kollidieren, was auf den Schotterstraßen im Nomadengebiet ständig passierte. Das alles sind neue Bugs, die vor 2.0 nicht oder nur seltenst auftraten – mit Ausnahme des Herbeirufens des Fahrzeuges, das funktionierte nie ganz richtig, kollidierte nur seltener mit anderen Autos.
Ich hatte (seltene) Komplettabstürze des Spiels nach Laden eines Spielstands. Und einen Spielstart, bei dem die Musik des Intros nicht aufhörte, selbst beim Laden des Spielstandes nicht. Zu Beginn wurde die Tastatursteuerung zwar akzeptiert, aber trotzdem in der UI die Icons eines Controllers gezeigt. Dieser letzte Bug wurde aber mit dem Patch 2.01 bereits gefixt.
Vor 2.0 auch schon und immer noch im Spiel ist ein Bug, bei dem das Schließen der Karte zu einem Überblendungseffekt führt. Alles wird hell, als ob V von einem Tunnel heraustreten und direkt in die Sonne schauen würde. Diesen Bug immer noch zu erleben ist ziemlich nervig, wobei weder er noch die Masse an Bugs das Spiel unspielbar macht. Denn Blocker waren bei mir nicht dabei.
Fazit: Man könnte abwarten, aber…
Mein Fazit der Erweiterung Phantom Liberty und von Cyberpunk 2077 mit den Änderungen von Patch 2.0 ist zwiegespalten. Auf der einen Seite sind da viele sinnvolle Verbesserungen drin. Die neuen Fähigkeitenbäume sind ok, die neue Rolle der Implantate ist klar besser, die Wichtigkeit der Kleidung zu minimieren ist super, dass Crafting keine Fähigkeiten mehr braucht um gut zu sein ist sinnvoll, das Interface wurde an ein paar Stellen mit Bedacht verbessert, Granaten und Hyposprays nicht mehr horten zu müssen bzw zu können ist klasse. Das ist ordentlich Holz. Und sowohl ist Dogtown ein interessantes neues Spielgebiet als auch die dort erzählte Story eine fesselnde, atmosphärisch ist das wieder toll.
Andererseits nervt mich die Skriptlastigkeit mancher der neuen Nebenmissionen, ärgerte ich mich einmal zu oft über den allzu schlechten Ausgang einer Teilstory. Auf mich wirkt es stümperhaft, dass die Autoren so wohl die Gefährlichkeit der dystopischen Cyberpunk-Welt zeigen wollten, anstatt dem Spieler eine faire Chance zu geben. Es muss ja nicht immer der Weltfrieden herbeibeschwörbar sein, aber V sollte wirkmächtig genug sein, zumindest das schlimmste zu verhindern. Was soll das alles sonst? Aber es ist klar, dass sich an der Hinterfotzigkeit der Schreiber bei den neuen Nebenmissionen nichts mehr ändern wird – und ähnliches gilt tatsächlich auch für die Hauptstory der Erweiterung, das ist nur gerade noch erträglich. Ich konnte mich schließlich damit arrangieren, das Spiel mehr noch als eine Story begreifen, die übelsten Ausreißer wie die oben beschriebene Nebenmission mit der Fracht mal ausgenommen.
Völlig inakzeptabel aber sind die vielen neuen Bugs und das übertriebene Autobalancing, gerade die nun von Vs Level abhängenden Skillchecks. Das ist so gravierend, dass ich da fast auf ein Einlenken der Entwickler hoffen würde, ebenso wie sie wohl die Bugs noch reparieren würden, sollten sie nicht doch an Proton hängen. Handeln sie nicht, könnten mit der Zeit bei beiden Problemen Mods aus dem Nexus aushelfen.
Aber sicher kann ich da natürlich nicht sein. Und um Abwarten zu empfehlen ist die Geschichte dann doch zu gut. Phantom Liberty bringt viele tolle Missionen, kleine wie große, und auch einige gute neue Mechaniken. Trotz aller teils unerklärlichen Schwächen ist das Spielen insgesamt doch ein großartiges Erlebnis. Also muss ich die Erweiterung empfehlen, so sehr ich mir auch erhoffe, dass die Macken noch ausgemerzt werden und es eine wirklich perfekte Version von Cyberpunk 2077 geben könnte.
Control
Tuesday, 10. October 2023
Obwohl Control mit Remedy Entertainment von den Machern von Max Payne ist, diese Abstammung teilweise sichtbar wird und Control auch ganz eigene tolle Szenen produziert, konnte der Third-Person-Shooter mich nicht richtig begeistern. Schlecht aber ist er nicht.
Befreiung einer Behörde
Zu Spielbeginn betritt Jesse Faden das Gebäude des Federal Bureau of Control. Doch niemand ist da, nur ein Hausmeister lässt sie freundlicherweise hinein. Als sie das Büro des Direktors betritt, hat dieser sich scheinbar gerade erschossen – und die Waffe wählt Jesse, der neue Direktor zu sein.
Diese Story ist erst der Anfang. Nach dem einsamen Beginn treten einige andere Personen und Entitäten in die Handlung. Sehr sichtbar sind dabei die besessenen ehemaligen Angestellten, einmal Quelle für die Gegner, aber auch für vor sich hinmurmelnde und ansonsten passiv schwebende Gestalten. Diese ersten Szenen mit dem Bürogebäude prägten den in Videos sichtbaren ersten Eindruck des Spiels, wobei später auch andere Umgebungen auftauchen.
Schrittweise Erweiterung
Jesse wird im Spielverlauf immer stärker und bekommt neue Fähigkeiten. So kann sie die Waffe in verschiedene Formen verwandeln und wechselt dann zwischen Revolver, Schrottflinte und anderen Varianten. Sie sammelt Artefaktfetzen, aus denen sie Upgrades für diese Waffen generiert, die auch direkt als Hinterlassenschaft von Gegnern gefunden werden. Und sie kann durch erfüllte Aufgaben Punkte sammeln, mit denen sie ihre eigenen Fähigkeiten sowie ihr Mana und ihre Lebensenergie erhöhen kann.
Vor allem aber erwirbt sie neue Fähigkeiten, wie die Fähigkeit zu schweben. Damit werden im verwunschenen Bürogebäude neue Gebiete zugänglich. Teilweise ist das Metroidvania-artig, werden also vorher erkundete Gebiete durch neue Fähigkeiten unerwartet zum Übergang in ganz neue Level.
Für die Kämpfe besonders wichtig ist ihre Telekinesefähigkeit. Damit kann sie Objekte auf Gegner werfen. Ist kein passendes zur Hand reißt Jesse damit Brocken aus den Wänden, aber noch besser eignen sich von Feinden geworfene Granaten oder einige große Objekte. Gut eingesetzt ist diese Methode gegen die meisten Gegner viel effektiver als die reguläre Waffe, wobei ein Typ Fliegegegner Wurfobjekten geschickt ausweicht.
Technik und Grafik
Control spielte eine Doppelrolle als Technikdemo für Nvidia. Upscaling mittels DLSS und Raytracing wurde hier so ziemlich zum ersten Mal in ein großes Spiel gepackt. Entsprechend oft wurde Control für die Präsentation dieser Techniken in Videos benutzt. Als jemand mit einer AMD-Grafikkarte und unter Linux sah ich davon beim Selbstspielen nichts. Zu diesem Fokus passte aber, dass dieses nicht mehr ganz taufrische Spiel auf meinem System nicht besonders gut lief und einiges Drehen an den Einstellungsreglern brauchte.
Die Grafik hat mich dann auch nicht umgehauen. Control sieht nie schlecht aus und es zeichnet immer wieder Areale, die man so noch nicht gesehen hat. Besonders die brutalistischen und nochmal verformten großen Büroräume sind schon etwas eigenes. Aber es ist auch alles arg grau und die Büroabschnitte irgendwann eintönig, zudem sind die Gesichter mit ihrer Mimik sehr eigenartig gelungen.
Wie Control sich Schritt für Schritt erweitert und irgendwann ziemlich abgefahren wird, das hat schon was. Und auch der Ton des Spiels ist positiv eigentümlich, mit den übernatürlichen und Horror-Elementen finnischen Einschlags. Aber irgendwas stieß mich immer wieder von diesem Spiel ab (und es war Control, dem ich immer mal wieder eine Runde Loop Hero vorzog). Vielleicht auch, dass ich es stellenweise als ziemlich schwer empfand und an den Kämpfen nur selten viel Spaß hatte. Und auch die Story motivierte mich nicht alleine zum Durchspielen, dafür ist sie nicht fesselnd genug. Aber da war eben der merkwürdige Einschlag, der Ton, die vielen Fehltöne auch gerade. Diese Elemente lassen innehalten, ließen mich das Spiel weiterspielen und überzeugten mich, dass Control mehr ist als eine Technikdemo. Aber es blieb das Gefühl, dass Control kein rundes Spiel geworden ist.
An einer Stelle war es das Spiel selbst, das mir vielleicht zeigte was mich störte: Als ich an einem späten Punkt des Spiels durch ein abgefahrenes Labyrinth spurtete, mit toller Musik untermalt Gegner weghauen durfte und Jesse auch ein entsprechend breites und mächtiges Sortiment hatte, dann war Control richtig toll. Aber das war eben die Ausnahme, sie ergab einen Flow, dem das Spiel sonst nur an wenigen Stellen nahe kam.
Disco Elysium, oder: Ich preise ein Meisterwerk
Monday, 2. October 2023
Disco Elysium hat bei Release sehr hohe Wertungen bekommen, mit der manchmal zu lesenden Einschränkung, dass das ungewöhnliche Rollenspiel nicht jeden ansprechen werde. Für mich, siehe Titel, war es großartig.
Aufwachen als namenloser Polizist
Das Szenario klingt nur im ersten Moment gewöhnlich. Zwar ist ein Gedächtnisverlust der Hauptprotagonisten bei Rollenspielen nichts neues, aber hier sei der nach Tagen des Dauersuffs und Durchfeierns eingetreten. Während im Garten des Hotels – zu dem das Zimmer gehört in dem man aufwacht – immer noch die Leiche am Baum hängt, wegen der man hier ist. Zumindest ist das die Version, die man zu Beginn hören wird.
Wahnsinnig ungewöhnlich ist auch die Art, wie man aufwacht. Innere Stimmen sprechen zu einem und wollen überzeugen, nicht aufzuwachen, der Schlaf sei doch so viel angenehmer als das Aufwachen und Erinnern. Es sind verschiedene Stimmen, verschiedene Teile des Gehirns und Körpers. Darauf kann man eingehen, oder widersprechen. Schafft man es, nach dem Aufwachen die Krawatte vom Deckenventilator zu holen (was absolut nicht garantiert ist) fängt plötzlich die an zu reden. Wahnsinnig eben.
Vom seltsamen Handeln in einer obskuren Welt
Auf diese Gespräche hat man Einfluss, also sowohl auf die inneren als auch auf die mit anderen Personen. Je nach anfänglicher Punkteverteilung sind die Charaktereigenschaften unterschiedlich ausgeprägt. Eine hohe Autorität führt zu anderen eingeworfenen Bemerkungen als eine hohe Empathie und das wiederum zu anderen eigenen Gesprächsoptionen.
Aber auch welche Optionen man wählt hat einen Einfluss. In der Hinsicht ist Disco Elysium wirklich ein Rollenspiel. So lehnte ich ins Absurde und ließ meinen Polizisten sich immer wieder als Disco-Polizist vorstellen, der mit Disco (und also: Tanzen, Feiern und früher Trinken) Fälle löst. Was zu herrlichen Reaktionen führt, aber vor allem zu Erstaunen beim in der Hotellobby angetroffenen sympathischen Begleiter Kim. Nochmal mehr, wenn dieser Ansatz dann wirklich immer mal wieder funktioniert. Aber ich hätte mich auch als gewöhnlicher Polizist vorstellen können, mir einen Namen ausdenken oder die Namensnennung vermeiden und mich wirklich dem Fall und der Polizeiarbeit widmen.
In und außerhalb der Gespräche gibt es oft Skillchecks, die hier je nach Fähigkeitenwert und anderen Faktoren (wie manchmal möglicher Vorbereitung, z.B. dem passenden Werkzeug in der Hand) eine prozentuale Erfolgswahrscheinlichkeit haben. Scheitern sie, können viele nochmal probiert werden, nachdem die Fähigkeit einmal erhöht wurde. Aber oft ist es auch okay wenn sie scheitern, sind sie nicht spielentscheidend und gibt es alternative Wege, passt das Scheitern gar zum Charakter – was den Unterschied ausmacht zu Wasteland 2, wo ich ein solches System massiv kritisierte. Gegen Ende und bei ein paar Szenen hat das System mich doch zum Schnellladen verleitet, aber oft genug konnte ich die Ergebnisse auch beim Scheitern akzeptieren. Fehlschläge und bestimmte Ereignisse können jedoch auch Lebens- oder Moralpunkte kosten, fallen sie auf Null ist das Spiel vorbei. Das setzt dem eigenen Verhalten Grenzen. Der verfrühte Tod kann aber meist noch durch Heilitems verhindert werden.
Man macht mehr, als nur mit den vielen Bewohnern des Stadtteils zu reden. Aber nicht unbedingt viel mehr. Man kann sich in dem kleinen Gebiet frei bewegen, mit ein paar temporären Blockaden. Es gibt Gegenstände, die ins Inventar wandern. Teilweise Ausrüstungsgegenstände, welche die eigenen Werte beeinflussen (und als Kleidung Kommentare auslösen können). Gegenstände zum interagieren, was dann als Gespräch mit dem Gegenstand aufgebaut ist. Und viele, die für die vielen Quests eine Rolle spielen. Runden- oder Echtzeitkämpfe, eigentlich ein elementarer Bestandteil vom Computer-Rollenspielen, gibt es nicht.
Ton, Dichte, Reaktivität
Disco Elysium ist mehr als seine ordentlich funktionierenden Spielmechaniken. Sein Ton, seine Dichte und seine Reaktivität machen es toll. Der Ton kommt primär durch die Art der Gespräche, gerade auch der Selbstgespräche, die manchmal an Sunless Sea und Teile von Planescape Torment erinnern, verstärkt durch die unglaublich gute Sprachausgabe (die im Final Cut vervollständigt wurde). Aber auch die Geschichte spielt hier rein, die (vielleicht) Schritt für Schritt aufgedeckt wird, die ich aber nicht spoilern will. Die Dichte kommt durch die unzähligen Querverbindungen, die vielen möglichen Aufgaben und die schiere Anzahl an interessanten, voll ausgestalteten Gesprächspartnern. Und Reaktivität ist klar, es stehen viele Handlungsoptionen offen, auf die oft überraschend reagiert wird; Eben nicht nur einmalig im Mikrokosmos des einen Gesprächsfensters, sondern immer wieder auch durch spätere Folgereaktionen auf das bestimmte Ereignis oder die eingenommene Haltung. Da ist es fast schade, dass viele reguläre Gespräche eben doch wiederholbar sind.
Aber natürlich kann das Spiel kein komplett freies Rollenspiel sein. Durch die angebotenen Optionen und durch den Charakter der Spielwelt wird es auch immer eine bestimmte Richtung haben – in meinem zweiten Anspielen als No-Nonsense-Polizist sprach wieder die Stadt selbst mit mir und erzählte von ihrer Geschichte, will meine Wirbelsäule nicht das ich aufstehe. Es gibt zudem unweigerlich immer diesen nostalgischen und traurigen Unterton, durch die wohl gesetzte schmerzliche Vergangenheit und verstärkt durch die Zerstörtheit der Stadt
Doch es gibt genug Gesprächs- und Handlungsoptionen, um in diesem Rahmen mehr als nur eine Rolle konsequent zu spielen, und es gibt die entsprechenden Reaktionen und Auswirkungen. Gerade hier brilliert Disco Elysium, wenn auch noch der absurdeste Nebenquest und das seltsamste Gespräch durch passende Ergebnisse weitergesponnen wird – und das oft überschwappt in die Haupthandlung.
Das Ergebnis spielt sich großartig und ist unheimlich fesselnd. Es wirkt nur auf eine andere Art fesselnd als wie CRPGs normalerweise funktionieren. Das erklärt die Einschränkung bei den Empfehlungen. Die Bindung funktioniert weniger durch die teils auch vorhandenen mechanischen Rollenspielelemente wie dem Hochleveln und Ausrüsten, sondern mehr durch das intellektuelle Rollenspiel in einer unbekannten und andersartigen Welt, durch (wenn auch limitiertes) Handeln in der Welt und primär den Gesprächsoptionen.
Bugs
Umso schmerzlicher ist es dann, wenn mein Wirken in der Welt durch technische Probleme blockiert wird. Das ist mir nur einmal aufgefallen, aber es war extrem unglücklich: Um ein wichtiges verlorenes Ausrüstungsstück wiederzuerlangen sollte nachts an einem bestimmten Ort ein Treffen stattfinden. Ich war da, die Kontaktperson nicht. Mit dem Problem bin ich nicht alleine, es finden sich ein paar Berichte im Internet. Leider war dieses Treffen auf den letztmöglichen Tag gerutscht, ich musste den Rest des Spiels mit dem Verlust leben, was wichtige Auswirkungen auf die Handlung hatte. Neuladen auf einen vorherigen Tag hätte zu viel Spielfortschritt zerstört, eine Lösung fand ich nicht.
Bei Disco Elysium ist immer der unfassbare Aufwand spürbar, der in diese Millionen Zeichen zählende Texte, die unglaublich vielen Interaktionen, die extrem ausgearbeitete Spielwelt, die perfekten Sprecher (besonders Hauptsprecher Lenval Brown, der mit verstellter Stimme die Hälfte des Spiels allein vertont hat) und den passenden Grafikstil mit seinen Zeichnungen geflossen ist. Das zu sehen ist dann schier unglaublich und mir unerklärlich, wie ein solches Spiel produziert werden konnte. Noch unglaublicher, dass ein solches – und das ist positiv gemeint – verkopftes Werk dann sogar erfolgreich war. Dass das möglich war ist ein Zeichen dafür, wie weit Computerspiele als Medium bereits gekommen sind, wie weit auch die Spielerschaft ist. Okay, klar, hier im Blog sind so einige beliebte Spiele aufgetaucht deren Reiz nicht aus einer simplen Massentauglichkeit stammt – Deus Ex, Metro Exodus, Baldur's Gate; Computerspiele sind schon lange ein komplexes Medium. Aber Disco Elysium setzt mit seiner künstlerischen Unzugänglichkeit nochmal einen drauf und war trotzdem sehr erfolgreich, das erstaunt mich einfach.
Disco Elysium hat alle Merkmale eines Unikats mit einer enthaltenen künstlerischen Vision, die nur in einer bestimmten und nicht replizierbaren Umgebung zu einem fertigen Spiel werden konnte. Selbst wenn die gleichen Leute es nochmal probieren würden, ich würde niemals darauf wetten, dass das Ergebnis wieder so gelingen könnte. Der Versuch, es in eine wiederholbare Formel zu pressen – wie sie bei Filmen existiert – würde es zerstören.
Dass andererseits mittlerweile der hinter dem Spiel stehende Autor Kurvitz aus dem Studio gekickt wurde, samt einer laut Vorwurf korrupten feindlichen Übernahme und dem Diebstahl der Marke durch einen Unternehmer, passt dann wieder eher zu unserer normalen Realität. Mit einem würdigen Nachfolger ist wegen all dem in absehbarer Zukunft nicht zu rechnen, vielleicht nie.
Meine Erinnerungen an späte LAN-Parties
Monday, 18. September 2023
20 Jahre, so lange dürfte die erste LAN-Party her sein, die ich damals im Freundeskreis in der Kleinstadt gefeiert habe. Die Nullerjahre also und deswegen das "spät" im Titel: Es ist zwar eine Weile her, aber die frühen LANs dürften ganz andere Probleme gehabt haben. Unsere war eine Endzeit – Breitbandinternet kam damals sogar nach Deutschland und zu uns. Auf den ersten LANs gab es bei uns meiner Erinnerung nach gar kein Internet, auf den späteren wurde zwischendurch etwas heruntergeladen, etwa vier Jahre später verlagerte sich das gemeinsame Spielen völlig ins Internet. Selten in der gleichen großen Gruppe, aber wenn zusammengespielt wurde war es danach vom eigenen Zuhause aus, mit viel geringerem Aufwand. Aber auch mit etwas Verlust.
War das wirklich eine Periode von nur etwa 4 Jahren, von 2003 bis 2007? Dass mein erster eigener PC einen Athlon XP 2700+ hatte, der 2002 raus kam, spricht für 2003 als Beginn. Und es kann nicht viel länger gewesen sein: Es war in der Schulzeit, bevor ich wegen der Uni nach Darmstadt zog. Ganz exakt ist das aber nicht, es gab danach noch die eine oder andere LAN mit anderen Leuten. Und möglich, dass etwas vorher schonmal eine LAN mit dem vereinnahmten Familien-PC bestritten wurde. Aber 2003 bis 2007 müsste die Kernzeit gewesen sein.
Organisation geschleppter Monitore
An vier Orte erinnere ich mich: Das Haus von B., der Keller von D., zwei Wohnungen von mir. Mit einer Ausnahme fanden die LANs statt, wenn die Eltern am jeweiligen Ort nicht da waren. LANs waren aufsichtsfreie Zonen, wobei die Eltern gerade anfangs natürlich vorher gebraucht wurden, um das schwere Gerät zum jeweiligen Ort zu fahren (nicht immer, manchmal wurde alles geschleppt, manche von uns wohnten in Laufreichweite). Die PCs waren schwer, die Röhrenmonitore waren schwerer. Wir bauten also daheim PC und Monitor ab. Maus, Tastatur und Kopfhörer (der war aber beileibe nicht Standard, glaube ich) kam in den Rucksack, das Netzwerkkabel durfte nicht vergessen werden, die anderen Kabel auch nicht, die oft vergessene Mehrfachsteckdose war besser dabei, wer hatte packte noch einen Switch ein. Am Ende ging das recht routiniert. War aber natürlich der große Vorteil, wenn die LAN bei mir war, dann gab es für mich nichts zu schleppen, nichts zu vergessen.
Dann wurden wo immer möglich die Computer wieder aufgebaut. Küchentische, Schreibtische, Wohnzimmertische – sie alle wurden belegt. Nicht alle dieser Orte waren komfortabel. Wenn man bedenkt, wie riesig die Monitore waren und wieviel Platz Tastatur und Maus verbraucht wird auch klar, dass wir selten mehr als zehn gewesen sein können. Vielleicht außer bei B., das mehrstöckige Haus bot viel Platz. Jeder brauchte mindestens zwei Steckdosen, deswegen die Mehrfachsteckdosen, die mit einem Ausschalter waren Fallen und schalteten mehr als einmal versehentlich reihenweise PCs ab. Mit den Switches und Netzwerkkabeln wurden die PCs dann verbunden.
Das Verbinden klappte nicht immer. Natürlich hatten wir damals Windows. Die meisten Windows XP, aber M. nutzte lange Windows 2000, D. litt unter dem unbrauchbaren Windows ME. Aber selbst Rechner mit Windows XP sahen sich manchmal einfach nicht im Netzwerk. Die IP-Adresse musste manuell zugewiesen werden, wir wussten, dass die ersten drei Sektionen der IP-Adresse gleich sein muss und die letzte sich nicht doppeln darf. Aber Windows XP hatte auch noch Arbeitsgruppen, die da irgendwie reinspielten. Dazu kamen die Zugriffsrechte, die Windows Netzwerken zuwies. Das alles zu konfigurieren fraß Zeit, wurde aber mit den Jahren besser (durch SP1 und SP2?). Und dann mussten ja noch die Spiele starten, sich ihre Multiplayermodi im Netzwerk sehen. Mehrfach klappte das nicht, wurde der PC neu installiert (wie es bei uns hieß, wenn Windows neu installiert wurde).
Die Spiele
Wo kamen die Spiele überhaupt her? Es waren natürlich anfangs meist Schwarzkopien. Niemals hätten wir uns alle alle Spiele kaufen können, nicht, dass wir es gedurft hätten: Viele unserer Spiele waren ab 18. Oder gar indiziert, wie Command & Conquer: Generals. Unreal Tournament 99 und 2003, Warcraft 3, StarCraft, Counterstrike (meist in Version 1.5) waren andere Kandidaten, dazu kam mindestens einmal Diablo 2, das auf einer kleineren LAN tatsächlich alle besaßen. Deutschlands Zensurwahn traf uns bei dieser Auswahl also voll. Ich habe noch heute einen Hass auf Deutschlands immer noch tätige Zensoren, zeigt unsere Erfahrung doch wie unbegründet die Ängste der Ahnungslosen waren, zum Glück auch wie ineffektiv ihre Kontrollversuche.
Irgendjemand hatte diese Spiele auf der Platte, gab seinen Ordner frei, die Leute zogen den Installer und installierten dann das Spiel. Im Ordner war meist direkt ein Keygen oder Crack mit dabei, je nach Spiel. Manchmal war das Spiel auch von der letzten LAN noch auf der Platte. Eher selten, Festplatten waren klein (meine erste: 80GB).
Das waren außer Diablo 2 daher Spiele, die zumindest ich damals fast nie außerhalb von LANs spielte. UT hatte ich wohl mal via dem Solomodus gegen Bots geübt, bei WC3 den Großteil der Kampagne gespielt. Von CS spielte ich später die Steamversion gelegentlich im Internet, nachdem mir die via Half-Life 2 geschenkt wurde, aber nicht davor. Da war also keine große Erfahrung mit Multiplayer. Das war aber nicht bei allen so, so war J. durch Spielen im Internet richtig gut in StarCraft – so gut, dass durch Training von ihm ein Ausflug ins Battle.net später eben nicht in Niederlage endete. Aber natürlich war es ein Problem, dass man in diesen Spielen ohne Übung wenig Chance gegen erfahrene Spieler hatte. Gekontert wurde das durch Allianzen, sodass dann alle anderen sich spontan gegen den besten Spieler verbündeten. Das führte manchmal zu den besten Spielen, aber manchmal auch zu den frustigsten, gerade für den im Fadenkreuz stehenden. Keine einfache Balance, gerade später nicht, als einzelne Spieler immer besser wurden, andere stehenblieben (so wie B., der trotz Riesentalent später außerhalb LANs höchstens Minispiele spielte).
Command & Conquer: Generals spielten wir auf einer großen Wüstenkarte. Später sogar mit der Erweiterung. Jeder wählte frei seine Fraktion, ich hielt mich gerne an die terroristische GLA, die mit Selbstmordbombern und zusammengebastelten Fahrzeugen etwas untypischer war als China mit seinen regulären Panzern und die USA mit ihren High-Tech-Flugzeugen. Leere Plätze wurde durch KI aufgefüllt. Gab es viele KI-Spieler, wurde es zu einer Art Tower-Defence: Die KI schickte permanent neue Einheiten auf immergleichen Routen an Klippen vorbei, da oben mussten unbedingt Türme und Raketenwerfer stehen. Gebaute Superwaffen mussten vor Ablauf des Timers zerstört werden. Ob mit eigenen Superwaffen oder mit den Generalsfähigkeiten, die bei der GLA z.B. einen Trupp Bomber an einer Stelle der Karte erscheinen lassen konnte. Ohne die KI wurde das ganze etwas flexibler, wurden die Armeen geschickter eingesetzt und gekontert. Aber wir spielten wohl meist mit der KI.
Generals lief auf dieser großen Karte leider nie lange flüssig. Manchmal lag das an einzelnen schwachen Rechnern, flog dieser Spieler dann raus war das gut, weil so der Lag aufhörte. Aber nicht immer, später las ich, dass das Spiel selbst einfach nicht mit großen Einheitenmengen umgehen konnte. Das Verlangsamen des Spielablaufs war unvermeidlich. Desynchs beendeten so einige Partien, die technischen Probleme versauerten uns das Spiel irgendwann.
Warcraft 3 war da anders: Technisch hatte das keine Probleme. Aber WC3 machte einigen im normalen Modus keinen Spaß. Ich denke, dass es zu frustrierend war: Die Skillunterschiede machten zu viel aus. Ohne Taktiken und Wissen über die Stärken und Schwächen der Einheiten hatte man in diesem Spiel keine Chance gegen bessere Spieler, anders als bei Generals, wo einigeln und Masse produzieren immer zumindest eine Weile ging. Also wurden eher Funmaps gespielt: Oft Tower-Defences, auch ein bestimmter Vorgänger von Defence of the Ancients und Abwandlungen davon. Also Karten, die Fans des Spiels gebaut hatten und die das Spiel teils komplett umkrempelten.
Das wiederum machte mir keinen Spaß, mir waren diese Maps oft zu unausgegoren. Gerade unserer DOTA-Variante nahm ich es übel, dass mein Baumheld kein Land sah. Aber auch die Tower-Defences arteten oft aus, sie dauerten lange und waren schlicht nicht immer gut.
Dann lieber ein Shooter wie Unreal Tournament und Counter Strike. Da erinnere ich mich kaum an Details. Sie wurden eben gespielt, auf verschiedenen Karten und Modi mit gemischten Teams. Skillunterschiede schlugen bei diesen Spielen natürlich voll durch, aber in langen Nächten hatten viele Spieler gute und schlechte Phasen. Wobei M. fast nie zu schlagen war. Zu lange konnte man diese Spiele nicht spielen, dafür waren sie zu anstrengend. CS 1.5 ist in diesem Video zu sehen, später wurde auch von uns 1.6 gespielt:
Bei StarCraft erinnere ich mich nicht an Funmaps. Sondern es wurden die regulären Multiplayerkarten gespielt. J. gewann, die Frage war nur wie. Ich erinnere mich an eines der letzten Spiele, als wir anderen endlich gut genug geworden waren ihn beinahe zu schlagen, bis er dann doch unsichtbare Einheiten erreichte und wir gegen die nicht ankamen, die sie enthüllenden Spezialeinheiten nicht parat hatten, er mühsam die große Welle an einströmenden Einheiten zerstörte und doch gewann. Da waren alle stolz auf ihre Leistung. Sowas war ein Erlebnis, ein Höhepunkt der Nacht.
Diablo 2 spielte ich nur einmal mit und habe es bis heute als negative Erfahrung im Kopf. So schnell wie möglich aufs Loot klicken, ohne Lesen einer einzelnen Zeile durch die Kampagne hetzen. Ich mochte D2 und hatte es vorher alleine gespielt, da macht es Spaß, mit einzelnen Leuten war es auch im Multiplayer okay, als LAN-Spiel fand ich es ungeeignet. Es bot einem nichts, was man nicht auch alleine hätte haben können, im Gegenteil, es wurde schlechter. Zeitverschwendung. Bis heute spiele ich Hack'n Slays nicht in Gruppen.
Drumherum
Jugendliche in einer südhessischen Kleinstadt ohne Aufsicht – genau, wir hatten Alkohol und Zigaretten. Die Gruppe hatte es ansonsten nicht mit Drogen, nichtmal Gras. Es waren gute Lerngelegenheiten: Dass etwas Alkohol okay ist und manchen Spielen sogar einen kleinen Schub gibt, aber ansonsten dem Spielen schadet. Die LANs waren meist mehrtägig, sonst lohnte sich der Aufwand nicht, gingen also die Nacht durch und am nächsten Tag weiter, auch kein Argument fürs Trinken. Mehr noch: Viel besser zumindest ein bisschen zu schlafen, von 4 bis Sonnenaufgang, und dann den nächsten Tag halbwegs fit zu sein, als durchzuzocken und dann am nächsten Tag einfach nur kaputt zu sein.
Manche LANs waren jedoch echte Feiern. Dann waren Leute außerhalb des Kerns zusätzlich da, tranken und hörten Musik, waren die Freundinnen dabei und spielten manchmal sogar mit. Andere LANs waren nur wir, fokussiert ganz aufs gemeinsame Spielen.
Aber es waren nicht nur Spiele: Da wir sowieso für die Image-Dateien Ordner freigeben mussten, konnte man auch direkt Musik und Filme mit freigeben. Und von den anderen auf die eigene Platte kopieren. Bei uns war das weniger ein Fokus, als es auf anderen LANs gewesen sein soll. Vielleicht gerade, weil DSL für uns bald schon existierte?
Man sollte meinen, durch diese Abende hätten wir über PC-Technik gelernt, aber dem war nicht so. Es schien nicht wichtig welcher Prozessor in den Maschinen steckte, welche Grafikkarte, wir kannten höchstens die eigene Hardware. Und die konnte meines Wissens keiner von uns ohne weiteres ändern, dafür war neue Hardware viel zu teuer. Spiele funktionierten oder sie funktionierten eben nicht, entsprechend wurde gewählt. Was gelernt wurde war, was für die Situation vor Ort gebraucht wurde: Das Konfigurieren von Windows, das Anbringen von Cracks bei den Spielen. Plus die Spiele selbst – und auch wie wir uns auf Spiele einigen konnten, das war wohl am wichtigsten (kleinste gemeinsame Nenner, oder das eine Spiel und danach das andere, da jeder etwas anderes lieber spielte, manche Spiele von einzelnen ganz geblockt wurden).
Was mir technisch hängenblieb: Dass Kabeltrommeln ausgerollt werden müssen. Als die im Keller von D. überhitzte zerfetzte es einen Monitor, wenn ich mich richtig erinnere meinen. Kaufte ich danach einen neuen? Und das war dann der, der bis zum Umzug nach Siegen hielt? Krieg ich nicht mehr zusammen.
Fast vergessen hatte ich, dass ich einen Pullover speziell diesen LANs gewidmet hatte. Er kam mit, weil es nachts kalt werden konnte. Ein schwarzer Adidas-Pulli, ich habe ihn heute noch. Wie Verpflegung gelöst wurde ist weg – Tiefkühlpizzas, Chips und Süßigkeiten? Kam ich damals schon drauf, dass Bananen für solche Situationen praktisch sind?
Ich habe andere einzelne Bilder im Kopf, von denen ich jetzt gerne Fotos haben würde. Von zugestellten Esstischen, die unter der Last von 100 Kilo an Monitoren bestimmt ächzen mussten. Von Kabelsträngen unterm Tisch, vom die Treppe hochgehenden Netzwerkkabel, von zigfach in Reihe geschalteten Mehrfachsteckdosen – ein Glück, dass PCs damals weniger Strom fraßen. Und klar, von den Freunden, wie sie damals aussahen. Aber es gibt keine Bilder davon, die Telefone hatten keine oder nur unbrauchbare Kameras. Das erste iPhone kam direkt danach, 2007, bis die Technik in Androidtelefonen uns erreichte würde nochmal Zeit vergehen. Und wir hätten damals auch gar keine Fotos machen wollen, dafür war es zu deutlich unser eigener, selbstkontrollierter Raum. Da passten keine Beweisfotos.
Anlass für diesen Artikel war Memories from old LAN parties, was ich nicht lesen wollte bevor meine eigenen Erinnerungen nicht niedergeschrieben waren.
LANs wie die unseren waren ein Phänomen ihrer Zeit. Die Technik musste weit genug sein, um es einfach zu machen und Spiele leicht verfügbar zu haben, sonst wären wir gescheitert. Aber das Internet durfte noch nicht verbreitet genug sein, sonst hätte es keinen Sinn gemacht die PCs und Röhrenmonitore durch die Gegend zu schleppen. Und wir selbst mussten genau unser Alter haben, sonst wären wir zu jung oder zu alt gewesen um die Chance zu nutzen (mit ein bisschen Spiel nach vorne, natürlich hatte es schon vor uns LANs gegeben). Außerdem brauchte es eben diesen Freundeskreis, in dem alle einen PC hatten und spielten.
Ich würde mich gerne an mehr Details erinnern: Wie kamen wir darauf, wer trieb diese Treffen? War es, weil LANs einen Boom hatten und wir es über die Medien aufschnappten? Oder weil wir die Idee von älteren Freunden und Geschwistern der anderen übernahmen? Oder war es einfach, weil Spiele diesen Netzwerk-Multiplayer hatten und wir ihn nutzen wollten, wofür sich dann durch die sturmfreie Bude eine Chance bot? Das werde ich wohl nicht mehr rausfinden.
Aber auch ohne alle Details: Diese Abende und Nächte sind mir wichtige und positive Erinnerungen.
Kartenlegen in Loop Hero
Monday, 11. September 2023
Es ist ein sehr simples Spielprinzip: In Loop Hero läuft der Held automatisch eine in sich geschlossene Strecke ab. Auf dieser erscheinen Monster, landen Monster und Held auf dem gleichen Feld startet ein ebenfalls automatisch ablaufender Kampf.
Spielmechanik
Wenn alles automatisiert ist, was macht dann der Spieler? Er legt Karten aus, die in seine Hand kommen wenn der Held Gegner besiegt. Die Karten verändern die Spielwelt – sodass z.B. an der Ecke des Spielgebiets ein Feld Wald entsteht, das dann die Angriffsgeschwindigkeit des Helden erhöht. Oder aus einer Straße wird ein Friedhof, anstatt eines simplen Blobs erscheint dort dann später ein deutlich stärkeres Skelett, das nach einem gewonnen Kampf auch meist wesentlich bessere Ausrüstung verleiht. Wichtig, denn mit jeder Runde werden die Gegner stärker. Also ist die zweite Tätigkeit, die gewonnene Ausrüstung anzulegen und zwischen den vielen verschiedenen Gegenständen mit ihren unterschiedlichen Boni zu wählen. Und er entscheidet, wann der Durchgang abgebrochen werden soll.
Denn zusätzlich gibt es auch Ressourcen, die der Held nebenher sammelt und bei einer Flucht je nach Situation ganz oder teilweise mit ins Lager heimbringt. Mit denen kann der Spieler zwischen den Durchgängen im Lager verschiedene Gebäude bauen. Denn die meisten Durchgänge scheitern, dann geht dort alles von vorne los. Das Lager aber ist permanent; Mit den durch die gesammelten Ressourcen gebauten Gebäude gibt es permanente Boni, sodass unweigerlich irgendwann das Spiel gewonnen werden wird. Und neue Karten kommen in die Auswahl, die statt den regulären oder in einer beschränkten Anzahl zusätzlich vor dem Durchlauf aktiviert werden können.
Noch zwei Ebenen kommen dazu: Gegenstände können nach einem bestimmten Gebäudebau ebenfalls gesammelt werden. Anders als die Ausrüstungsgegenstände werden sie nicht während des Durchlaufs angelegt, sondern im Lager aktiviert, sie verleihen dauerhafte passive Boni. Außerdem gibt es Perk-Karten, die nach einem Levelaufstieg während eines Durchgangs für diesen aktiviert werden können, sie geben ebenfalls (meist entscheidende) passive Boni. Welche Perks es gibt hängt von der gewählten Klasse ab, noch etwas, was durch Gebäude freigeschaltet wird.
Eindruck von Story und Grafik
Mit diesem erst simplen, dann schichtweise erweitertem Spielprinzip versucht Loop Hero eine kleine Story zu erzählen. Dass die Welt leer ist liegt an etwas, nur der Held erinnert sich an die vorherige Welt und kann im Nichts dauerhaft Änderungen erschaffen. Die Karten zu legen sei dann ein Erinnern an die vorherige Welt. Wenn genug Karten gelegt wurden erscheint ein Bossgegner, die verschiedenen Bosse erklären dann immer mehr von der Story. Das ist simpel, aber willkommen, um dem Spiel wenigstens etwas einen Rahmen zu geben.
Mit der Pixelgrafik tue ich mir schwerer. Loop Hero ist für mich nicht hübsch, mit diesem Grafikstil aus der Zeit von vor dem SNES kann ich nicht viel anfangen. Aber wenn es dem Bau des Spiels diente… Ich kann darüber hinwegsehen, und manche Leute sollen diesen Stil ja mögen.
Balancingprobleme?
Was mich mehr störte war das Balancing. Es gibt drei Klassen, man beginnt mit einem Krieger, dann kommt ein Dieb dazu, der statt Waffe und Schild zwei Waffen führt. Schließlich schaltet man den Totenbeschwörer frei, der gar keine Waffe trägt und auch selbst kaum Schaden austeilt, sondern direkt für ihn kämpfende Skelette beschwört. Und dieser Totenbeschwörer ist unheimlich viel effektiver als die anderen Klassen.
Ich war davon ausgegangen, dass man mit entsprechenden Perks, passiven Boni durch Gebäude und Gegenstände, gut gewählten Karten und Ausrüstungsgegenständen mit allen Klassen Erfolg haben kann. Aber meine Versuche in diese Richtung scheiterten völlig. Was mit Krieger und Dieb schwierig war, war für den Totenbeschwörer ein Klacks, auf der höchsten Stufe hatte dann nur er eine Chance das Spiel zu gewinnen. Das fand ich etwas schade, verschenktes Optimierungspotential.
Loop Hero wird kein ewiger Favorit von mir, aber es hat mich gut unterhalten. Ich hatte alternativ ein AAA-Spiel zu spielen und ertappte mich oft dabei, lieber dem doch viel günstigeren und simpleren Loop Hero mehr Zeit geben zu wollen. Das sagt doch einiges. Und es hat mir gefallen, wie hier langsam Schicht um Schicht hinzugefügt wurde, um dem an sich supersimplen Spielprinzip dann doch einiges an Tiefe zu geben. Gut gemacht.
The Outer Worlds bleibt blass
Monday, 21. August 2023
Ein 3D-Rollenspiel von Obsidian, den Machern von Fallout: New Vegas, mit größerem Budget und mehr Entwicklungszeit sollte großartig sein. Auf dem Papier bietet The Outer Worlds alles, was man von einem solchen tollen RPG erwarten würde, seit Juli sogar eine grafisch verbesserte Version mit allen Erweiterungen:
Aber allen vorhandenen Stärken zum Trotz ist The Outer Worlds einfach nicht richtig gelungen.
Weltenrettung in den Kolonien
Du bist frisch aufgetaut – von einem als Terrorist gejagten Forscher. Der Kolonieschiff Hope dümpelt seit 70 Jahren nahe des Halcyonsystems herum, der diese Kolonie kontrollierende ultra-kapitalistische Vorstand hat sich gegen ein Aufwecken der Kolonisten entschieden. Davon warst du einer. Direkt nach dem Aufwachen geht es auf den ersten Planeten. Von dort wird ein Generatorteil gebraucht, die von der Firma Spacer's Choice kontrollierte nahe Siedlung hat einige Probleme. Und schon stehen Entscheidungen an: Hilft man ihr? Oder den Dissidenten? Nimmt man die Begleiter mit und vereinfacht sich so die Kämpfe, oder soll das Spiel alleine bestritten werden (was ein paar stärkende Perks aktiviert)?
Wie auch immer man sich entscheidet, danach wird es mit dem eigenen Raumschiff zum nächsten Ort im Sonnensystem gehen. Und die Story sich weiterentwickeln.
Dabei dreht sich immer viel um den Vorstand und die Firmen. Bei ihnen und ihren Gegenfraktionen wird Ansehen gewonnen oder verloren, sie kontrollieren die Kolonie. Dabei sind die Firmen, bis auf eine Ausnahme, alle Abziehbilder kapitalistischer Dystopien. Arbeiterrechte gibt es nicht, natürlich wird für den Projekterfolg über Leichen gegangen, 100%ige Loyalität wird gefordert und nicht belohnt. Verbunden wird das mit einem absurden Humor wie beim Mondkopfmaskottchen visualisiert und im Trailer angedeutet. Dieser Humor zieht sich durch das Spiel, ohne je wirklich lustig zu sein ist er mehr eine Einfärbung der Spielwelt.
Einfache Kämpfe im eigenen Rollenspielsystem
Überall gibt es Gegner. Monster, Roboter, Banditen oder Firmenschergen, sie alle sind mit Nah- oder Fernkampfwaffen zu besiegen, können manchmal alternativ umschlichen werden. Das spielt sich als ein Shooter in der Egoperspektive. Anfangs sind die Kämpfe nicht einfach. Mit den bis zu zwei Begleitern (von insgesamt sechs) und bei konsequentem Bestreiten von Nebenmissionen und entsprechendem Aufleveln werden sie es aber, auch auf dem härteren Schwierigkeitsgrad (der jederzeit im Spiel gewechselt werden kann) sind die immer KI-losen Gegner dann kein Problem mehr. Verstärkt wird das durch die integrierten Erweiterungen, nach ihnen ist das Finale des Hauptspiels ein Spaziergang.
Die verschiedenen Waffen fühlen sich dabei allesamt nicht übermäßig gut an. Es gibt immerhin sofort treffende und welche mit fliegenden Energieprojektilen, Flammenwerfer und verschiedene Nahkampfwaffen, einige können aufgerüstet werden – auch mit Elementeffekten, die dann bei verschiedenen Gegnertypen unterschiedlich gut wirken. Wichtig ist aber eigentlich nur der Schadenswert – hat der Gegner viel Rüstung, sind Waffen mit einem hohen Schaden pro Schuss nützlicher, ansonsten zählt der Schaden pro Sekunde, gelegentlich verstärkt oder negiert vom Elementtyp. Aber dafür lassen sich problemlos vier verschiedene ausrüsten. Richtig fühlbaren Wumms hat keine der Waffen, Granaten gibt es nicht, Deckung spielt keine Rolle. Auflockerung kommt nur durch die per Tastendruck auslösbaren Spezialangriffe der Begleiter und durch den an Fallouts VATS angelehnten Zeitlupenmodus.
Für die eigene Verteidigung gib es Körperrüstung und (ausblendbarere) Helme. Zusätzlich zum Rüstungswert können die auch Fähigkeiten verbessern (und manchmal verschlechtern), auch hier sind viele wieder mit Modifikationen aufrüstbar. Grafisch sehen die Rüstungen zudem oft ziemlich gut aus.
Kämpfe und gelöste Quests bringen Erfahrungspunkte. Bei der Charaktererstellung wurden die Attribute gewählt, die etwas anders heißen als üblich. Fähigkeiten lassen sich dann bei jedem Levelaufstieg weiter steigern. Alle zwei Level gibt es einen Perk zur Auswahl. Die sind nicht spielentscheidend, aber teils praktisch, wie das höhere Gewichtslimit für das Inventar.
Entscheidungen, Skillchecks
The Outer Worlds übernimmt viele positive Eigenschaften früherer Obsidian-Spiele. So sind die Gespräche wieder ein wichtiger Teil des Spiels, die zudem von guten Sprechern voll vertont sind, nur der Hauptcharakter bleibt stumm. In den Gesprächen gilt es viele Entscheidungen zu treffen, die dann auch sichtbare Auswirkungen auf die Spielwelt haben. Versöhnt man z.B. zwei Fraktionen auf einem Planeten, sind in der Hauptsiedlung dann eben Soldaten beider Fraktionen vertreten.
Auch spielen in viele Entscheidungen vorherige Aktionen rein und schalten die eigenen Attribute und Fähigkeiten neue Optionen frei. Der Klassiker: Mit einem hohen Einschüchternwert lassen mich die Banditen kampflos durch ihren Schiffsabschnitt, alternativ funktioniert auch Lügen oder Überzeugen. Habe ich am Terminal Gegenteiliges gelesen, kann ich das dem lügenden Gesprächspartner an den Kopf werfen. Zudem schalten desöfteren Konsequenzen in Nebenmissionen neue Lösungen in ganz anderen Missionen frei, wie die oben erwähnte Versöhnung zweier Fraktionen.
Diese mögliche Einflussnahme auf die Welt war es, was FNV so reizvoll machte, generell viele Spiele des Genres auszeichnet.
Die Story macht es sich zu einfach
Dass die Einflussnahme hier nicht richtig funktioniert ist gar nicht so einfach zu erklären. Aber ein klarer Faktor ist die Zeichnung der Fraktionen. Das Spiel verwendet sehr viel Zeit, die Firmen als furchtbare Ungeheuer zu beschreiben. Immer wieder verheizen sie Arbeiter grundlos, lassen die Firmen sie gestrandet auf lebensfeindlichen Planeten verhungern, schreiben Vorgesetzte in Terminals darüber, wie alle Arbeiter bei Projektmisserfolg getötet werden sollen, lassen sie nur für einen vorgetäuschten Projektfortschritt unfertige, bekannt todbringende Medikamente Sklaven spritzen. Die Schreiber haben sich in ihrer überzeichneten Kapitalismuskritik so richtig ausgetobt. Es sei ihnen gegönnt, machte sicher Spaß, nur: Wenn alles absurd ist wird alles generisch, unbedeutend, blass. Und es verbaut den meisten Entscheidungen jedweden Reiz.
Natürlich werde ich als Spieler nicht solche verräterischen Firmen unterstützen. Das ist nichtmal eigene Ethik, es wird vom Spiel eindeutig als der schlechte Weg gezeichnet, nicht nur moralisch böse, sondern auch nicht im eigenen Interesse. Genauso natürlich unterstütze ich nicht den Vorstand, wenn mir in einer (immerhin optionalen, aber prominenten) Nebenmission verraten wird, dass dessen vermeintliches Frühverrentnungsprogramm in Wirklichkeit eine Nazi-Vernichtungskammer ist. Und das ist an dem Punkt nichtmal überraschend.
Für wirkungsvolle Entscheidungen braucht es Grautöne, ein Für und Wider. An den meisten Stellen hat The Outer Worlds das vergessen.
Wo ist die Konsistenz, warum all das Loot?
Ebenso braucht es eine glaubwürdige Welt, damit Handeln in ihr reizvoll sein kann. Diese Welt gibt es hier aber nicht. The Outer Worlds schafft es, eine Hotelküche zu zeichnen, in der die Angestellten gemütlich sitzen, reden und essen. In den Kabinen zwei Meter weiter liegen mehrere Leichen, in den Gängen aggressives Getier. Vor dem Hotel greifen Verwirrte und Monster alles an was sich bewegt, die ebenfalls dort herumstehenden Hotelgäste sterben zwar zwischendurch (es gibt also NPC-Kampfinteraktionen), kommentieren das aber nicht weiter. Auch alle anderen NPCs tun so, als sei alles normal. Gut, das beschriebene entstammt einer der Erweiterungen, wo das Problem besonders durchschlägt. Aber auch die Gebiete im Hauptspiel wirken seltenst glaubwürdig.
Ebenso unpassend ist der Umgang mit Loot. Davon gibt es schlicht viel zu viel. Das Leveldesign ist gestaltet als sei es ein Lootshooter wie Borderlands. In den abertausenden Containern gibt es aber kaum brauchbare Ausrüstung, denn anders als in Borderlands gibt es eben keine zufällige Wertegenierung der Gegenstände mit lohnenswerten Ausreißern nach oben, sondern finde ich die immer gleichen Waffen und Rüstungen. Gelegentlich gibt es einzigartige Varianten, aber die meisten davon sind schwächer als reguläre Ausrüstung und nicht ebenso modifizierbar. Im Ergebnis wird das Spielen ermüdend, wenn der tausendste Container schon wieder im Grunde nur Munition und ein bisschen Geld bietet, aber zehntausend Schuss auf Lager sind und Geld generell nicht gebraucht wird. Der einzige Effekt ist ein Zumüllen des begrenzt aufnahmefähigen Inventars.
Natürlich spielt da mit rein, dass die Kämpfe zu einfach sind. Entsprechend braucht man die Heilungsgegenstände und Buffs nicht, ist das Optimieren der Ausrüstung im Detail unnötig. Oft braucht es nichtmal Munition, erledigen doch die Begleiter ohne Munitionsverbrauch die Gegner, nur gelegentlich brauchen sie dabei Unterstützung. Genauso braucht es deswegen keine große Investition in die Waffenfähigkeiten – haben die Gesprächsfähigkeiten doch auch mindestens ebenso praktische Auswirkungen auf die Kämpfe, wie bei Treffern Gegner angsterfüllt einfrieren zu lassen.
Grafische Stärken, Performanceschwächen
Bei aller Kritik soll eine weitere Stärke des Spiels nicht verschwiegen werden: Es sieht nicht schlecht aus. Die nun überarbeitete Version gefällt mir grafisch, viele schöne Szenen werden gezeichnet, ohne wie Fallout in den Ruinen im Detail grau, eintönig und detailarm zu sein. Gerade auch die NPCs sehen gut aus (auch wenn man die Mimik sicher schonmal besser gesehen hat), besonders wichtig bei solch einem Spiel. Die Performance passte auch, mit einer Einschränkung: Die nun nachträglich hinzugefügte Option "Screen Space Global Illumination" lässt die FPS in den Keller rauschen, sie gehört deaktiviert. Ich wäre davon ausgegangen, dass das eine spezielle Inkompatibilität mit Proton unter Linux ist, fand den negativen Einfluss auf die Performance aber auch von anderen Spielern bestätigt.
Da auch die Ausrüstungsgegenstände gut aussehen ist es schade, wie sich die Designer da Arbeit gespart haben. Viele der Waffen gibt es in mehreren, stärker werdenden Versionen. Die sehen aber alle komplett identisch aus, eine Spacer's Choice Pistole Mark 1 ist grafisch identisch zu einer Mark 3. Da hätte ich mir mehr erhofft.
Sich mehr erhofft zu haben beschreibt das Spiel im Ganzen. The Outer Worlds hat eigentlich wirklich alles, was ein tolles Rollenspiel auszeichnet. Und doch überzeugen die Stärken nicht, werden sie zu oft durch gravierende Schwächen verhunzt. Was ich wahrscheinlich eher verzeihen könnte, wenn die Messlatte durch die anderen Spiele – und teils eben, durch die anderen Obsidian-Rollenspiele – nicht so hoch gehängt worden wäre. Trotzdem sind da die vielen Entscheidungen, ein nicht verkehrtes Rollenspielsystem mit Attributen, Fähigkeiten und Perks, meist interessante Begleiter, die alle das Geschehen gewinnend kommentieren. Und natürlich ist das Ende besser als in Mass Effect 3, gibt es anders als in Bethesda-Fallouts ein ordentliches Outro.
Das alles lässt mich ein bisschen ratlos zurück. Manchmal geht die Mischung eben schief? Ist es so einfach, oder hat etwas spezifisches zu diesem Scheitern geführt?
Egal woran es lag: The Outer Worlds ist spielbar, hat seine Qualitäten und es wird vielen Leuten auch Spaß bringen. Als Blaupause für Entwickler künftige Spiele ist es super. Ich würde aber Spieler im Zweifel meist zu einem anderen Rollenspiel raten. Selbst bei einer Beschränkung auf RPG-Shooter in der Egoperspektive: Cyberpunk 2077 ist in allen Bereichen besser, Fallout: New Vegas machte schon vor über zehn Jahren Konsequenzen und Spielwelt überzeugender, Fallout 4 hat trotz allen Schwächen beim Rollenspiel die spaßigeren Kämpfe und trotz den misslungenen Fraktionen eine motivierendere Story.
Wasteland 3
Monday, 24. July 2023
Wasteland 3 ist mehr als eine kleine Verbesserung des Vorgängers.
Ein eisiges Szenario
Im dritten Teil der Wasteland-Reihe geht es ins schneebedeckte Colorado. Dem Schauplatzwechsel zum Trotz sind wir wieder Ranger aus Arizona, aus der gleichen Gruppierung wie im zweiten Teil. Der Colorado beherrschende Patriarch hat die Ranger zu sich gerufen, als Gegenleistung für unsere Unterstützung werde er dringend benötigte Nahrungsvorräte nach Arizona senden und so die Ranger dort retten. Scheinbar ist nicht das beste Ende des Vorgängers der offizielle Ausgang der Geschichte geworden, sonst wäre das nicht nötig.
Der Patriarch will, dass wir seine drei Kinder einsammeln. Die haben sich selbständig gemacht und bedrohen seine Herrschaft. Aber Wasteland ist ein (kampflastiges) Rollenspiel – es wird durch die Gesprächsoptionen direkt klar, dass es Alternativen zu diesem Vorgehen gibt. Und dass es neben dieser Hauptquest auch Nebenmissionen geben wird, wie immer in solchen Spielen.
Charakterbau und Kämpfe
Doch erstmal müssen die eigenen Ranger erschaffen oder gewählt werden. Wie zuvor gibt es dabei Attribute, Fähigkeiten und Perks, die bei Levelaufstiegen gesteigert bzw gewählt werden können. Dazu kommen nur zu Beginn wählbare Hintergründe und Spezialeigenschaften, die mehr oder weniger große Auswirkungen haben können. Die Komplexität des Systems wurde also erfreulicherweise nicht verringert, wobei sich die Perks verändert haben und das Interface für das alles hübscher geworden ist.
Vier Ranger können so erschaffen werden, zwei weitere sind immer vorgefertigte Begleiter mit eigenem Charakter, die auch schön die Story kommentieren. Beispielsweise wird einem zu Beginn ein Cowboymädchen über den Weg laufen, das mit ihrem eigenen Revolver gut austeilen kann (aber wenig aushält) und zu den mit dem Patriarchen verbündeten 100 Familien Colorados gehört. Klar, dass auch sie beleidigt wäre, würden die Ranger sich irgendwie gegen den Herrscher stellen.
Die so erschaffene Gruppe wird sich im Spiel erstmal sehr vielen Kämpfen stellen. Manche Kämpfe können durch die richtigen Gesprächsoptionen vermieden werden, wenn die Rangergruppe denn die richtigen Gesprächsfähigkeiten hat, viele nicht. Das ist gut so, denn das Kampfsystem ist wieder gelungen. Deckung muss wie in XCOM genutzt werden, Angriffe haben eine angezeigte Trefferwahrscheinlichkeit. Nah- und Fernkämpfer sind möglich, Ranger können Gegenstände (wie Granaten oder Heildarts) einsetzen, über Perks und Ausrüstungsgegenstände kommen AP-verbrauchende Fähigkeiten hinzu. Die Waffen und Rüstungsvielfalt ist wie die Gegnervielfalt erfreulich, die Gegner in den Kämpfen auch nicht übermäßig dumm. Sind da Roboter und Tiere dabei, können Ranger mit den richtigen Fähigkeiten diese hacken bzw zähmen und auf die anderen Gegner schicken, Mechaniker Generatoren für automatisierte Gewehrtürme abschalten, sowas sorgt für Abwechslung. Und ab und an gibt es sogar Bosskämpfe.
Große Verbesserungen bei der Inszenierung
Diese Bosskämpfe sind dabei nicht besonders häufig. Aber das Spiel wertet sie durch ihre Inszenierung enorm auf. Besonders ein möglicher Kampf rund um eine Präsidentenroboterstatue hatte es mir angetan, als plötzlich ein zynisch Amerika lobpreisendes Lied erklang. Musikuntermalung für besondere Szenen, auch noch speziell für das Spiel produzierte Lieder, damit hatte ich nicht gerechnet. Ganz besonders nicht bei einem Nachfolger zu dem doch eher sprödem Wasteland 2.
Ähnlich überraschend sind manche ersten Gesprächen mit ein paar der Kernfiguren, bei denen sie auf einmal in einer Nahansicht zu sehen sind. Das erinnert an Fallout 1 und 2, bei denen die Köpfe mancher NPCs ähnlich in Szene gesetzt werden, ist hier jedoch etwas hübscher und bezieht mehr vom Körper mit ein.
Hübscher sind auch die Ausrüstungsgegenstände, die angelegt natürlich auch außerhalb der Inventargrafik an den nochmal weniger fitzeligen Rangern zu sehen sind. Und die oft originellen Umgebungen, die aufwändiger und visuell professioneller in einer neuen Engine gestaltet wurden. Krass ist der Sprung auf der Weltkarte, die mit dem gezeigten Ranger-Fahrzeug und den verschiedenen Gebäuden eben nicht mehr eine abstrahierende Karte ist, sondern wie echt durchreisbares Umland wirkt.
Verbliebene Schwachstellen
Wobei man da einschränken muss: So ziemlich direkt nach Cyberpunk gespielt ist die Grafik doch etwas enttäuschend. Wasteland 3 mag mindestens zehnmal besser als Wasteland 2 aussehen, das macht es immer noch nicht zu einem grafisch beeindruckendem Spiel, auch nicht auf höchsten Einstellungen. Dafür fehlt es an Texturqualität, am Einsatz von Effekten, an bewegten Elementen in den Einsatzgebieten.
Die Musikstücke sind auch deswegen so eindrucksvoll, weil sie so selten sind. Die reguläre Spielmusik ist mehr als kompetent, aber sie hat natürlich nicht den Effekt der im passenden Moment gesungenen Lieder. Das bedeutet, dass der Kniff mit den (auch noch tollen) Liedern zwar zieht, aber auch nicht das Kerngefühl des Spielens wiedergibt. Dafür sind sie eben zu selten.
Und die Gespräche: Bei Fallout zeigte dann jedes Gespräch mit den entsprechenden NPCs ihr Gesicht in einer Renderansicht. Wasteland 3 macht das 20 Jahre später schlechter, indem nur das erste Gespräch mit einer Handvoll von NPCs inszeniert wird. Die nächsten mit dem Patriarch z.B. sind dann wieder normale Textboxen. Das schmälert den Effekt dieser Idee wieder, wie auch Gestik und vor allem die Mimik in den Gesprächen wesentlich besser sein könnten. Die Augen wirkten teils glatt verbuggt. So wie auch das Erkennen von Fallen durch Wände und geschlossene Türen im Spiel enthaltene Bugs sind, oder dass einer meiner Ranger einen eigentlich hinter einer Absperrung unerreichbaren Computer bedienen konnte, das Radio einmal nach einem eingegangenem Funkspruch nicht verschwinden wollte, ein Ranger nach einem Kampf nicht aus dem Kampfzustand herauskonnte (ich musste neu laden). Manches davon mag an der Linuxvariante des Spiels gelegen haben, aber so oder so fehlte es da noch an Feinschliff.
Und das führt direkt passend zum Fazit. Wasteland 3 hat wesentlich mehr Feinschliff gesehen als der Vorgänger. Man merkt es an allen Ecken und Enden. Von den Charakterporträts über die noch originelleren Schauplätze hin zu eigens produziertem Songs zur Inszenierung von Schlüsselszenen. Aber an manchen Stellen merkt man eben doch die bescheidenere Herkunft des Spiels, wie wenn die Egoperspektiven-Inszenierung von Kernfiguren dann nicht durchgehalten wird, auch der Ansatz schlicht zu selten genutzt wird. Da aber der Kern des Spiels toll ist – mit seinen guten Kämpfen, der Entscheidungsfreiheit in den Quests samt dem Fokus des Spiels auf die Auswirkungen, der Fallout-artigen Welt, dem Spaß am Ausrüsten und Aufleveln der Ranger – macht das nicht viel.
Wasteland 3 ist eines der ganz großen Spiele seines Genres. Es atmet den Geist der beiden originalen Fallout-Spiele, macht vieles sogar besser als die beiden es damals konnten, ist aber auch unabhängig von der Falloutperspektive schlicht ein tolles Rollenspiel geworden.
Metro Last Light Redux
Monday, 10. July 2023
Metro Last Light, von mir erst jetzt in der aufgehübschten Redux-Version gespielt, ist der zweite Teil der Metro-Reihe. Es ist ähnlich stark wie der Vorgänger 2033, aber nicht so gut wie Exodus.
Zurück in der Metro
Last Light spielt kurz nach den Geschehnissen des ersten Teils. Artyom ist dank seiner Leistung ein Mitglied der Ranger geworden, doch plagt ihn der Gedanke, das falsche getan zu haben. Denn es ist das schlechte Ende von 2033, das Kanon der Reihe ist. Als dann direkt zu Spielbeginn ein Überlebender der schwarzen Mutanten auftaucht, wird diesen zu finden Artyoms Mission. Das führt ihn bald zurück in die Metro, wo eine ganz andere Bedrohung sich versammelt.
Die Hauptstory wurde durch einige DLCs ergänzt, die hier mit enthalten sind. Sie integrieren sich nicht direkt ins Hauptspiel, sondern sind im Hauptmenü einzeln anwählbare Missionen. Die beiden von mir getesteten, eine Story um Artyoms Kurzzeitbegleiterin Anna und eine um den schon in 2033 auftretenden Khan, waren kurz und simpel und brachten mir nicht viel.
Der Vergleich mit 2033
Spielerisch ähneln sich 2033 und Last Light sehr. Wieder gibt es enge dunkle Metrogänge, in denen Mensch wie Monster als Feind lauern. An Menschen kann Artyom sich vorbeischleichen, an Monstern nicht immer. Die Redux-Version von Last Light hält das dabei wie die Redux-Version von 2033, sodass Schleichen durch Skriptereignisse unterstützt wird. Wird ein bestimmter Punkt erreicht, beginnen die sonst den weiteren Weg blockierenden Wachen ein Gespräch und laufen weg. Das funktioniert in fast allen Situationen gut, es macht den Shooter aber vor dem Finale viel weniger kampflastig als andere Genrevertreter. Da ist es gut, dass neben ein paar Actionszenen noch die Monsterkämpfe übrigbleiben. Die aber haben leider wieder die Eigenheit, in manchen Ansturmsituationen recht hart zu sein. Bis auf eine davon, ausgerechnet mit Menschen als Gegnern, schienen mir aber diese potentiellen Blocker doch etwas entschärft, wobei ich auch nicht den härtesten der Schwierigkeitsgrade spielte.
Dass Last Light trotz aller Ähnlichkeiten als vollständiges eigenständiges Spiel verstanden werden kann liegt an den Unterschieden im Spielgefühl. Das beginnt bei ein paar Kleinigkeiten, wie dass es bei den Waffen ein paar andere Varianten gibt. Je nach Schwierigkeitgrad gewichtiger ist die überraschende Munitionsfülle, die es in der Originalversion von 2033 jedenfalls nicht gab. Dann gibt es einen längeren Abschnitt, bei dem ein eigenes Schienengefährt gesteuert wird (was fast Inspiration für den Wagen im Wüstenabschnitt von Exodus sein könnte).
Aber vor allem ist es die Gradlinigkeit der Level. 2033 war in seinem Leveldesign obstruser, wenn man Schleichen wollte gab es viele hakelige Stellen, Kämpfen war auch nicht so einfach. Last Light lässt sich besser einfach spielen, es gibt weniger Anlass zum Zweifeln und Neuladen. Und um noch ein bisschen was draufzusetzen gibt es nun ein paar stärker eingebundene Begegnungen mit Kollegen und vor allem auch mit wiederkehrenden Gegenspielern.
Gemeinsam bleibt beiden, dass die Metro ein sehr unangenehmer und beklemmender Ort ist, die Monster kreativ sind, das Szenario spannend bleibt.
Als die Originalversion von Last Light veröffentlicht wurde, war die tolle Grafik eine der gelobten Stärken des Spiels. Da aber in der Reduxversion die Engineversion beider Spiele angeglichen wurden, entfällt im Vergleich diese Stärke heutzutage etwas. Wenn man dann den Vergleich weiter fasst, sehen die Metrogänge und die durch die Gasmaske gefilterten Außenbereiche auch einfach nicht so gut aus wie die variantenreichen Außenbereiche in Exodus.
Warum Exodus stärker ist
Last Light ist eben nicht so gut wie Exodus. Und das meine ich, obwohl mich die Schlauchlevel von 2033 und Last Light nicht stören, deren Reduzierung in Exodus der eine große Unterschied war. Doch ein anderer Unterschied ist gewichtiger: Der Aufbau des ganzen Drumherums. In den beiden ersten Teilen der Reihe ist der Fokus noch auf die Metro gesetzt, sie und das Leben in ihr zu entdecken belohnt der Entwickler entsprechend durch Karmapunkte, z.B. indem man in den Metrostationen den Wortwechseln zuhört. Das ist auch nett, aber nicht so stark die die Begleiter im Zug von Exodus kennenzulernen. Besonders unrühmlich ist da ausgerechnet Anna. Sie lernt Artyom in diesem Spiel zwar kennen, aber ihre Begegnung ist kurz und scheinbar unbedeutend, dass sie sich näherkommen wirkt sogar ziemlich unglaubwürdig, fast: billig. Das passt absolute nicht zu ihrer Beziehung in Exodus, die dort viel interessanter wirkte und wichtiger Motivationspunkt der Geschichte war.
Doch auch die spielerischen Unterschiede unterstreichen das Gefälle. Exodus motivierte an vielen Stellen zu einem sehr konzentriertem, munitionssparsamen Spielstil. Gerade das lautlose Töten von Monstern mit aus selbst aufgepumpter Waffe verschossener günstiger Kugelmunition, per Kopfschuss, war wichtig. In Last Light gibt es Waffe wie Munition, sie zu benutzen ist auch nicht verkehrt, aber an vielen Stellen würde es eine der lauten Schrotflinten oder Maschinengewehre genauso tun. Meist spricht wenig gegen ein brachiales Vorgehen, abgesehen vom drohend im Hintergrund lauerndem Karmasystem. Das wirkt beliebiger, weniger originell als die Mischung in Exodus gelang.
Hätte ich Last Light vor Exodus gespielt wäre mein Fazit daher positiver ausgefallen. Aber es ist auch so durchaus positiv. Zu 2033 ist es ein ordentlicher zweiter Teil, der viel ähnlich macht, aber ein paar Macken ausbügelt und die Geschichte meist sinnvoll ausbaut. Und an ein paar Stellen kann man heute gut sehen, wie daraus das noch bessere Metro Exodus werden konnte. Diese Entwicklung sehen zu können ist dann auch heute noch interessant.